: Berninger im Stall
Der neue Staatssekretär im Agrarministerium hat schon mancher Kuh auf die Beine geholfen
von CHRISTIAN FÜLLER
Es gibt ja ein paar Leute, die ihn gar nicht mögen. Die ihn für einen Renegaten halten. Andere rümpfen die Nase über seine Anzüge. Dabei sollten sie froh sein, dass Matthias Berninger zu jenen Grünen gehört, die es ab und zu mal mit Schick probieren. Und die nicht andauernd in Klamotten herumlaufen, mit denen sie unter Bauern in einem Kuhstall nicht weiter auffallen würden. Doch nun muss Berninger wieder umlernen: Er wechselt ins Ministerium für Verbraucherschutz und Landwirtschaft – und wird sozusagen Kuh-Staatssekretär.
Das nehmen ihm jetzt schon wieder ein paar Leute übel. Weil er von Kühen nämlich nichts verstehe und auch von Verbraucherschutz keine Ahnung habe. Aber da unterschätzen sie Matthias B.
Er hat nämlich schon einmal einer Kuh auf die Beine geholfen, genauer einem neu geborenen Kälbchen. Ist schon ein paar Jahre her, dass er sich eher zufällig auf einem Bauerhof befand, wo gerade eine Kuh Probleme beim Kalben bekam – also musste er, nolens volens, mit am Kälbchen ziehen. Anders als sonst üblich, erzählt er die Story nicht ganz freiwillig, sondern man muss gerade so ziehen wie er damals am buntscheckigen Nachwuchs. Berninger will diese alte Geschichte nicht als Ausweis besonderer Fachkenntnis sehen. Braucht er auch nicht. Da gibt es anderes. Der bald jüngste Staatssekretär hat schon mit dem Bauernverbandspräsidenten um Geld gerungen – weil er als Haushälter für Landwirtschaft zuständig war. Einen Namen hat sich der 29-Jährige aber als Bildungspolitiker gemacht. Da hat er mit jenen „Qualitäten“ operiert, derentwegen ihn die machtbewusste Ressortchefin Renate Künast engagiert hat: dem politischen Killerinstinkt und dem Willen zum Kurswechsel.
Berninger hat den Sprecherposten der Fraktion für Bildung nicht geschenkt bekommen, er musste seine Vorgängerin niederringen. Das hat er getan – und die grüne Fraktion mit einem neuen Kurs wieder öffentlich wahrnehmbar gemacht. Matthias Berninger, das sind seine Stärken, ist ein konzeptioneller Kopf und vor allem einer, der seine Konzepte auch verkaufen kann. Seine Schwäche ist: dass die Verkaufsslogans, wie bei so vielen Politikern, oft ein bisschen zu perfekt klingen. „Man muss vielen Anbietern vors Schienbein treten, die es sich im Markt bequem gemacht haben“, sagt er zum Beispiel. Wieso? „Weil Verbraucherschutz knallharte Interessenpolitik ist.“ Ganz schön kess. Ist aber, was die Praktiken vieler Futterhersteller betrifft, offenbar nicht falsch.
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