: „Eichel will sich revanchieren“
Sachsens Staatskanzleichef Thomas de Maizière (CDU) gibt sich bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs kompromissbereit, fordert aber klare Zusagen vom Kanzler
taz: Herr de Maizière, Sie treffen morgen Ihre Kollegen der Staatskanzleien, um die Konferenz zur Neuordnung des Finanzausgleichs vorzubereiten. Sachsen hat ein eigenes Modell erarbeitet. Wie sieht das aus?
Thomas de Maiziére: Bislang geht die kommunale Finanzkraft nur zu 50 Prozent in die Berechnung des Ausgleiches ein. Andersrum: 50 Prozent der Finanzschwäche bleiben unberücksichtigt. Begünstigt werden Länder, die Kommunen mit großer Steuerkraft haben, die rechnen sich so künstlich arm. Die ostdeutschen Länder werden künstlich reich, denn die eklatante Finanzschwäche ihrer Kommunen geht nur zu 50 Prozent in die Bilanz ein. Das sächsische Modell will diese Ungerechtigkeit beheben – die kommunale Finanzkraft mit 100 Prozent einrechnen.
Was bedeutet: Ostdeutschland wäre der große Gewinner des Modells, Bayern etwa hätte milliardenschwere Verluste?
Das soll nicht Ergebnis des Modells sein. Setzt sich das sächsische Modell durch, könnte man den Ausgleichstarif senken – Bayern müsste weniger zahlen.
Obwohl Sie ein eigenes Modell haben, hat Sachsen dem Hannoveraner Modell bereits zugestimmt. Warum?
Wir haben unser Modell zunächst zurückgestellt, weil das Hannoveraner Modell einige Elemente davon übernommen hat – etwa die Anrechnung der kommunalen Steuerkraft bei den Gemeinschaftssteuern zu 90 Prozent. Zweitens begünstigt es die dünn besiedelten Teile Deutschlands. Drittens werden die Sonderbundesergänzungszuweisungen – also Zahlungsverpflichtungen des Bundes – gesenkt. Und: Die Beträge, die der jetzige Finanzausgleich bereitstellt, verändern sich nur minimal.
Die Geberländer haben den Kompromiss bereits als „Bestrafungsmodell“ abgelehnt. Scheitern die Verhandlungen?
Man sollte die Rethorik nicht überbewerten. Trommeln gehört zum Geschäft.
Die Geberländer haben ein eigenes, drittes Modell angekündigt. Wie sieht das aus?
Das ist noch nicht klar. Am Freitag werden die Finanzminister von Bayern, Hessen und Baden-Württemberg in Berlin eine von ihnen in Auftrag gegebene Studie des ifo-Instituts zum Stadtstaatenprivileg vorstellen. Das ifo-Institut wird die bekannte Argumentation bestätigen: Stadtstaaten sind teurer als andere. Und: Das Stadtstaatenprivileg begünstigt eigentlich das Umland. Wärend Münchens Mehrausgaben aber durch den Freistaat Bayern ausgeglichen werden müssen, zahlen für Bremen die Steuerzahler aller deutschen Bundesländer. Die Argumente sind aber bekannt.
Der Kanzler will die SPD-regierten Länder auf eine gemeinsame Position festlegen. Eine Gefahr für den Kompromiss?
In der Tat. Alle Experten sind sich einig: Der Bund hat 1992 bei der Gipfelkonferenz zum Solidarpakt I im Vergleich mit den Ländern den Kürzeren gezogen. Jetzt will sich Finanzminister Eichel revanchieren. Dabei geht es um Größenordnungen von sieben Milliarden pro Jahr. Wenn die SPD-regierten Länder nur eine einzige Position des Hannoveraner Modells preisgeben, geht die Rechnung nicht mehr auf. Dann wäre ein Scheitern der Verhandlung unausweichlich.
Im Zusammenhang mit dem Länderfinanzausgleich treffen sich am Freitag die ostdeutschen Länder mit dem Kanzler...
Der Bund muss erklären, welche Bereiche, welchen Umfang der neue Solidarpakt umfasst. Wenn der Bund sich nicht erklärt, dies erst nach Wiesbaden tun möchte, wissen wir, dass er den Länderfinanzausgleich zu eng definiert. Dann gibt es Streit.
Inwiefern?
Ohne die ostdeutschen Länder kann der Hannoveraner Kompromiss nicht zu Stande kommen. INTERVIEW: NICK REIMER
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