: Sprachen lernen ist wie Walzertanzen
Von Albanisch bis Zulu: Der Sprachschulmarkt boomt. Die Volkshochschulen sind billiger als die Privatanbieter, die dafür aber kleinere Gruppen haben. Über den Lernerfolg entscheidet vor allem die Methode: Erst sollte das Sprechen geübt werden, bevor Schrift und Grammatik drankommen
von OLIVER VOSS
Nach Schätzungen wird momentan auf der Erde in 2.796 Sprachen parliert. Ein Bruchteil davon ist auch in Berlin erlernbar, doch das Angebot ist kaum durchschaubar. Allein 50 Einträge verzeichnen die Gelben Seiten, vom Ägyptischen Kulturladen bis zum Wall Street Institute. Das größte Angebot bietet mit 49 Sprachen die Lernbrücke e. V., spezialisiert auf afrikanische Sprachen wie Wolof oder Suaheli.
Unfreiwillig erleichtert wird die Auswahl oft durch den Faktor Finanzkraft. Am günstigsten kommen da die öffentlichen Angebote weg. Der Klassiker sind die Volkshochschulen. Im Februar startet das neue Semester und dank Bezirksfusion in Weißensee, Pankow und Prenzlauer Berg mit gemeinsamem Semesterplan. Eine weitere methodische Veränderung ist der „Trend zur Kommunikation“, beobachtet Knut Schiemann, Leiter der Volkshochschule Weißensee.
Die Abkehr von schriftlichen Lernformen ist bei privaten Anbietern nichts Neues. Der Unterschied liegt nun vor allem in der Größe der Gruppen. „Wenn sie viel Geld haben, sind sie bei den Privaten gut aufgehoben“, urteilt Schiemann über die Angebote der kommerziellen Konkurrenz.
„Erfolg hat seinen Preis“, erklärt Jean-Pierre Witzmann, Distriktdirektor der fünf Berliner Niederlassungen des Weltmarktführers Berlitz. Hier absolvierte schon Truckermusikant Gunter Gabriel einen Englisch Crashkurs, um mit Johnny Cash smalltalken zu können. Den Vorteil der Privatschulen sieht Witzmann jedoch gar nicht in kleineren Gruppen, „das ist nicht der Maßstab, entscheidend ist die Homogenität der Gruppe“. Bei Berlitz ist Sprachen lernen keine Frage der Begabung, sondern der Lernmethode. Dabei setzt man auf Techniken, die das Lernen leicht machen und verzichtet beispielsweise erst einmal auf Grammatik.
Entstanden ist diese Methode durch Zufall. Der Schwarzwälder Maximilian D. Berlitz emigrierte 1872 in die USA, um Sprachen noch nach der streng traditionellen „Grammatik-Übersetzung-Methode“ zu unterrichten. Als er einen Assistenten für Französisch brauchte, stellte Berlitz einen Mann ein, der kein Wort Englisch sprach. Er wies seinen Assistenten an, die Worte spielerisch und mit Gesten zu beschreiben. Als er nach sechswöchiger Krankheit ins Institut kam, staunte Berlitz über seine lebhaft in feinstem Französich diskutierenden Schüler.
Damit entstand die Grundlage einer komplett neuen Unterrichtsmethode, die so neu nicht ist, schaut man sich den natürlichen Sprachlernprozess bei Kindern an. Die lernen Grammatik und Schrift erst, wenn sie bereits sprechen können. Bei den meisten Sprachschulen liest man zu früh und sieht die Sprache bevor man die Fonetik beherrscht.
Zu Auswahlkriterien meint Witzmann: „Die Schule muss die Fähigkeiten der Kunden einschätzen und von vornherein klar sagen können, wie viel Zeit und Geld für die Ziele, die er sich gesetzt hat, nötig sind.“ Am Besten ist dann eine Probestunde, die jede solide Schule kostenfrei anbietet. Ein Versuch, Sprachschulen zu vergleichen und Qualität zu garantieren, ist die „European Association for Quality in Language Service“ (EAQUALS), ein 1991 gegründeter europaweiter Zusammenschluss von Sprachanbietern.
Das Institut „Did – Deutsch in Deutschland“ war die erste Berliner Schule, die EAQUALS beitrat. Die für das Programm zuständige Lehrerin Ute Arnold ist sich sicher, „das wird sich durchsetzen, irgendwann“. Inzwischen ist auch das GLS-Sprachzentrum dabei, die Goethe Institute ziehen ebenfalls nach. Alle drei Institute bieten ausschließlich Deutsch für Ausländer an. Zielgruppe sind Studienwillige oder ausländische Fachkräfte, beispielsweise einige Eishockeylegionäre des EHC Eisbären bei Did. Der Bedarf ist groß, der Markt boomt. „Wenn wir weiter so wachsen, wissen wir nicht, wie wir das schaffen sollen“, meint Arnold.
Doch wie und wo soll man nun lernen? Berlitz-Direktor Witzmann zieht den Vergleich zum Walzertanzen: „Nur Erklärung reicht da nicht, sie brauchen einen Trainer.“ Es ist wie in der Schule, auf den Lehrer kommt es an. Daher kann man auch an der guten alten Volkshochschule glücklich werden, denn „unsere Dozenten sind bei unterschiedlichen Trägern tätig, auch bei Privaten“, so der Weißenseer Leiter Knut Schiemann.
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