: Glatt in die Hose gegangen
Nach ihrem Ausscheiden bei den Australian Open haben die Tennisspieler Nicolas Kiefer und Tommy Haas reichlich Zeit für die Vorbereitung auf das Davis-Cup-Match gegen Rumänien im Februar
aus Melbourne DORIS HENKEL
Nicolas Kiefer sagt: „Ich weiß, ich bin zurück in der Spur“, Tommy Haas erklärt: „Ich weiß, dass ich ganz nach oben gehöre.“ Das hört sich so an, als hätten alle beide große Siege hinter sich, doch das Gegenteil war gestern der Fall bei den Australian Open in Melbourne. Zwei deutsche Spiele innerhalb weniger Stunden auf dem Centre Court, einmal Bedauern und einmal verschärftes Frustprogramm – das war die trübe Bilanz dieses denkwürdigen Tages in Melbourne. Doch während sich Nicolas Kiefers 2:6, 6:3, 6:3, 3:6, 0:6-Niederlage gegen den Russen Jewgeni Kafelnikow leidlich logisch erklären lässt, war das Spiel des Tommy Haas beim 5:7, 6:7 (5:7), 4:6 gegen den Australier Lleyton Hewitt ein Stück aus dem Raritätenkabinett.
In jedem der drei Sätze trug Haas ein Hemd in anderer Farbe – im ersten weiß, im zweiten rot, im dritten blau –, doch der Eindruck seines Auftritts war durchgehend schwarzweiß. 5:0 führte er im ersten Satz, 4:1 im zweiten, 4:2 im dritten, drei Satzbälle hatte er im ersten, zwei im zweiten und keinen mehr im dritten. Das waren Chancen, die zum Gewinn dreier Spiele gereicht hätten, aber er gewann noch nicht mal dieses eine. „Ich hätte heute auch glatt in drei Sätzen verlieren können“, gab Hewitt zu.
Zum Teil spielte Haas zwingend, atemberaubend flach und schnell, und bestimmte das Geschehen gegen den diesmal vergleichsweise zahm und gesittet auftretenden Australier. Doch wenn es auf die wichtigen Punkte ankam, sah es aus, als litte er unter einer Blockade im Hirn. Obwohl er hinterher zugab, das sei wirklich nicht so leicht zu erklären, versuchte er es doch. „Mein Problem ist, wenn der Ball zu mir kommt, gehen mir zu viele Dinge durch den Kopf.“ Von außen sah es manchmal so aus, als sei eher das Gegenteil der Fall, in jedem Fall aber steht fest, dass es ihm an Konzentrationsfähigkeit fehlt.
Auch sein neuer Coach Gavin Hopper, über dessen weitere Verpflichtung demnächst entschieden wird, hatte von ihm verlangt, sich nach Kräften zu konzentrieren, „doch das können mir noch so viele Leute sagen“, meint Haas, „das muss ich schon selber machen.“ Er war sichtlich frustriert, als er ging, doch er nahm die Pleite hin und fügte sich ins scheinbar Unabänderliche.
Zugegeben, es war keine besonders freundliche Auslosung, die Haas schon in der zweiten Runde auf den an Nummer sieben gesetzten Hewitt treffen ließ und Kiefer auf die Nummer fünf, Jewgeni Kafelnikow, doch vergleichbare Probleme hatten auch andere. Haas hat den Sieg gegen Hewitt verschenkt, und auch Kiefer hatte seine Chance. Doch der spürte von Anfang bis Ende der gut drei Stunden dauernden Partie härtere Gegenwehr. Um Kafelnikow zu besiegen, hätte er bis zum Ende des vierten Satz so stark spielen müssen wie im zweiten und dritten, doch dazu fehlt ihm nach relativ langer Wettkampfpause noch die Konstanz. Dass er beim 0:6 im letzten Satz nur noch ganze acht Punkte holte, macht sich optisch nicht besonders gut, doch es war einfach so, dass er in dieser Phase nichts mehr zuzusetzen hatte. Sven Groeneveld, Kiefers Coach, sah das Positive: „Ich habe gegen einen der besten Spieler der Welt im zweiten und dritten Satz sehr gutes Tennis gesehen, aber Nicolas muss einfach noch mehr Druck entwickeln.“ Kiefer schloss sich inhaltlich an, doch in seinen Worten klang das so: „Ich habe mir, auf Deutsch gesagt, den Arsch aufgerissen, aber dann ist es halt in die Hose gegangen.“
Besiegt und bis auf weiteres aussortiert, packten die beiden besten deutschen Tennisspieler ihren Kram und kehrten der Rod Laver Arena den Rücken, doch es wird nicht allzu lange dauern, bis sie sich wieder sehen. In zwei Wochen steht in Braunschweig die Partie der ersten Runde im Davis Cup gegen Rumänien an, und dort gehört zum ersten Mal seit fast zwei Jahren auch Nicolas Kiefer wieder zum Team.
Wie die Sache bei den Australian Open weitergegangen ist, wird ihnen dann Rainer Schüttler erzählen können, der mit seinem Sieg gegen den Armenier Sargis Sargsian (6:3, 7:5, 4:6, 6:4) ebenso die dritte Runde erreichte wie am Tag vorher schon David Prinosil, und der nun gegen den Kanadier Daniel Nestor gute Aussichten hat, sogar zum Beginn der zweiten Woche in Melbourne noch dabeizusein.
Fast ebenso sehr wie über den eigenen Sieg freute sich Schüttler über den 7:6 (7:3), 6:4, 6:3-Erfolg seines alten Kumpels Lars Burgsmüller gegen den Österreicher Stefan Koubek. Nach vielen, vielen Jahren steht Burgsmüller zum ersten Mal in der dritten Runde eines Grand-Slam-Turniers. „Ich hab nicht großartig nachgedacht, sondern einfach gespielt“, sagte er. So geht es also auch.
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