: Kampfreden um Betriebsrat
Wirtschaftsverbände toben weiter gegen die geplante Reform der Betriebsverfassung. Nicht einmal ein einseitiges Vermittlungsangebot von Wirtschaftsminister Müller hat eine Chance
von BEATE WILLMS
Mit dem Vertrauen der Wirtschaftslobby in Werner Müller ist es offenbar nicht weit her. Gerade hatte der parteilose Bundeswirtschaftsminister verkündet, er wolle im Streit um das Betriebsverfassungsgesetz vermitteln, wenn die Wirtschaftsverbände ihre Fundamentalopposition aufgäben, da zogen deren Funktionäre gestern erneut auf die Barrikaden. Der Entwurf der Bundesregierung zur Reform des 28 Jahre alten Gesetzes gehe „völlig an der Wirklichkeit vorbei“, er müsse komplett zurückgezogen und neu verhandelt werden.
Der Generalsekretär des Handwerksverbandes, Hanns-Eberhard Schleyer, warf Rot-Grün vor, sich „die Feder von den Gewerkschaften führen zu lassen“. Pro Jahr und Beschäftigten koste ein Betriebsrat 1.000 Mark, das sei für kleine Handwerker zu teuer. Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten müssten deshalb ohne auskommen dürfen.
Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) wartete neben heftigsten Beschimpfungen mit eigenen Tipps auf: Um zeitgemäßer und schneller zu Entscheidungen zu kommen, sollten Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat künftig befristet werden.
Die gleichen Ideen hatte schon Wirtschaftsminister Müller in seinem Vermittlungsangebot als Kompromisslinie vorgegeben. Zusätzlich schlug er vor, ein Quorum einzuführen, nach dem die Betriebsratswahl nur gültig sei, wenn sich mindestens 30 oder 35 Prozent der Beschäftigten beteiligten. Damit verhindere man, dass eine Minderheit einen Betriebsrat wähle, obwohl eine Mehrheit dagegen sei.
Mit Demokratie habe das „wenig zu tun“, sagte die Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Ursula Engelen-Kefer, der taz. Müller dürfe die Rolle des Vermittlers „nicht verwechseln mit der Rolle als Sprachrohr der Wirtschaft“. Nach der erneuten Kampfansage der Verbände sehe sie ohnehin keine Chance zusammenzukommen. Jetzt könne sie nur hoffen, dass „die Bundesregierung bei der Stange bleibt“. Sonst sei es nämlich an den Gewerkschaften, „Ärger zu machen“.
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