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No Underwear and Factories

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) fordert ein Sprachschutzgesetz gegen die „Verdrängung und Verarmung der deutschen Sprache“ – und gegen Anglizismen. Vorbilder sind Polen und Frankreich

von JULIA NAUMANN

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) fordert ein Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache. Seit Anfang der Neunzigerjahre sei verstärkt zu beobachten, dass die deutsche Sprache durch eine „Flut englischer Worte zernagt“ und dadurch unverständlich werde. „Berater werden zu Consultants, und der Fabrikverkauf wird zumzum Factory-Outlet“, kritisierte Werthebach am Wochenende. Selbst Wäschemoden in der U-Bahn-Werbung würden als „Underwear“ angepriesen.

Der Innensenator befürchtet die Dominanz des US-Amerikanischen. Seine Forderung: Der deutsche Staatsbürger darf wegen seiner Sprache nicht benachteiligt werden, er bedürfe deshalb des staatlichen Schutzes. „Als Verfassungssenator der deutschen Hauptstadt werde ich prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, eine weitere Verdrängung und Verarmung der deutschen Sprache auch gesetzgeberisch zu verhindern“, sagte er. Die Kultur einer Nation werde durch eine gemeinsame und lebendige Sprache getragen. Sie sei der „Schlüssel für das Selbstverständnis und das Selbstwertgefühl eines Volkes“.

Sorgen macht sich der Innensenator, dass die deutsche Sprache als Wissenschaftssprache immer mehr an Bedeutung verliere. „Heute finden in Deutschland Kongresse statt, auf denen nicht mehr deutsch gesprochen wird“, hat Werthebach beobachtet. Seine düstere Prophezeiung: „Wenn hier nicht gesetzlich gegengesteuert wird, werden wir Deutsch bald nur noch am Frühstückstisch sprechen.“

In Frankreich und Polen gibt es bereits Sprachschutzgesetze. So wird in Frankreich sogar die Computersprache zu 82 Prozent übersetzt. Innensenator Werthebach: „Wenn zukunftsweisende Erfindungen wie das Internet allen Bevölkerungsschichten nahe gebracht werden soll, kann das nur in der Landessprache erfolgen.“

Der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland, hat scharfe Kritik an Werthebachs Forderungen geübt. „Diese antiamerikanische Abwehrhaltung eines kleine gallischen Dorfes ist lächerlich“, sagt er. Wieland erinnerte daran, dass während des Dritten Reiches sämtliche Fremdwörter eingedeutscht wurden. In dieser Zeit wurde das Wort „Deportation“ durch „Abschiebung“ ersetzt, sagte Wieland. Bei Werthebachs Vorstoß handele es sich um einen „verzweifelten, lächerlichen Versuch, die Internationalisierung aufzuhalten“.

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