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Kongos Stein der Begierden

von FRANÇOIS MISSER

Der 2. Juni 2000 war für Alphonse Ngoyi Kasanji ein Glückstag. Für nur 1,5 Millionen Dollar erstand der Chef des kongolesischen Diamantenhändlerverbandes Fecodi ein weltweit einmaliges Stück: mit 265,82 Karat den größten Diamanten der Welt, so groß wie ein Ei und von ähnlicher Form. Geschätzter Wert: mindestens 13,5 Millionen Dollar, etwa 30 Millionen Mark.

Nach dem Geschäft mit einem Schürfer in Bena Tshiwaka, einem Dorf in der zentralkongolesischen Kasai-Provinz, sprang Ngoyi ins nächstbeste Flugzeug und reiste in die Hauptstadt. „Der Stein“, wie der Diamant genannt wurde, sollte ihm aber kein Glück bringen. Am nächsten Tag, als Ngoyi das gute Stück bei einem Händler in Kinshasa verkaufen wollte, warteten dort schon Agenten des kongolesischen Geheimdienstes ANR, beschlagnahmten den Diamanten und verhafteten seinen Besitzer. Begründung: Der Schürfer des Steins sei mit dem Geschäft unzufrieden und wolle ihn zurück.

Da der unbekannte Schürfer in der Savanne von Kasai gar nicht hatte wissen können, was in Kinshasa mit seinem Fund geschah, rief die Begründung des ANR die Diamantenhändler der Hauptstadt auf den Plan. 15 Mitglieder des Verbandes Fecodi pilgerten zur ANR-Zentrale und verlangten, auch verhaftet zu werden. Am 5. Juni 2000 reichte der Diamantenhändlerverband Klage gegen den Geheimdienstchef ein. Der, so die Anklageschrift, arbeite mit einem dubiosen Libanesen zusammen, und der habe Ngoyis Verhaftung veranlasst, um an den Stein zu kommen.

Das Wunder geschah: Ngoyi Kasanji kam frei. Der Diamant aber nicht. Der Fall landete vor Gericht. Der Staatsanwalt begründete die Beschlagnahme des Steins damit, dass er auf einer Konzessionsfläche der zu 80 Prozent staatlichen Diamantenfördergesellschaft Miba gefunden worden sei. Also gehöre er der Miba – aus deren Einnahmen bediente sich der damalige Präsident Laurent-Désiré Kabila angeblich freimütig.

Noch während des laufenden Verfahrens organisierte Kongos Bergbauministerium eine Versteigerung für den Stein. Sie wurde wegen zu niedriger Gebote wieder abgeblasen. Kein Wunder, denn jeder Interessent erfuhr bald, dass Ngoyi Kasanji belgische und US-amerikanische Anwälte angeheuert hatte, um jeden Käufer zu verklagen.

Kabilas Wort

Der 10. August 2000 war für Alphonse Ngoyi Kasanji wieder ein Glückstag. Das Gericht stellte das Verfahren ein und erklärte ihn zum legitimen Eigentümer des eiförmigen Diamanten. Begründung: Nur weil das Terrain, auf dem der Stein gefunden worden war, der Miba gehöre, heiße das noch lange nicht, dass die Funde zugelassener Diamantenschürfer auch der Miba gehörten.

Im Kongo sagt das Gesetz, dass jeder Bürger – außer Staatsbeamten – das Recht hat, Bodenschätze abzubauen, außer in Gebieten, in denen der Staat schürft. Doch ein Problem blieb: Den Diamanten hatte Ngoyi immer noch nicht zurück. Erst am 3. Oktober versprach ihm Präsident Kabila persönlich, er bekomme den Stein. Kabilas Wort war im Kongo Gesetz.

Käufer ohne Gesicht

Am 5. Oktober 2000 hatte Alphonse Ngoyi Kasanji seinen dritten Glückstag. In einer offiziellen Zeremonie, organisiert vom Gouverneur der Zentralbank der Demokratischen Republik Kongo, bekam er seinen Diamanten zurück. Nun stand er jedoch vor demselben Problem wie vier Monate zuvor, als er mit dem kostbaren Stück nach Kinshasa geflogen war: Wie konnte er den Stein zu Geld machen?

Seit dem 31. Juli 2000 nämlich hatte im Kongo nur noch eine einzige Firma das Ankauf- und Exportmonopol für Diamanten, erteilt von Kabila höchstpersönlich: International Diamond Industries (IDI), eine Firma aus Israel. IDI aber stand noch am Anfang ihrer Geschäftstätigkeit und hatte nicht einmal genug Geld, die Produktion der Miba zu kaufen, geschweige denn den Diamanten von Ngoyi Kasanji.

Kongos Bergbauminister organisierte also erneut eine Versteigerung, wieder im Gebäude der Zentralbank. Den Zuschlag erhielt ein bis heute völlig unbekannter Käufer: „Herr Omari“, Chef der Firma Omari Oil, nach kongolesischen Presseberichten ein deutscher Staatsbürger kongolesischer Herkunft. Er ersteigerte den Diamanten am 19. Oktober für satte 17,9 Millionen Dollar, etwa 36 Millionen Mark.

Binnen 48 Stunden, so die Regeln der Versteigerung, sollte die Summe auf Ngoyis Konto bei der Bank Belgolaise in Brüssel überwiesen werden. Das Geld kam jedoch nie an. Und von Herrn Omari hat man nie wieder gehört.

Also wieder kein Geld für Ngoyi Kasanji. Nun verlor er die Geduld und beschloss, seinen wertvollen Diamanten selbst zu verkaufen. Aber so einfach war das im Kongo unter Kabila nicht. Gegen Ende Oktober rief ihn ein Mitarbeiter des Präsidenten an und teilte ihm mit, er dürfe das Land nicht verlassen – jedenfalls nicht mit dem Diamanten. Das war der Auftakt zu einer neuen Verhandlungsrunde zwischen Ngoyi und der Regierung.

Ngoyi schlug dem Minister für Öffentliche Arbeiten, Jean Yagi Sitholo, ein Geschäft vor: Wenn man ihn den Diamanten verkaufen ließe, würde er sich im Gegenzug verpflichten, in kongolesische Immobilien zu investieren. Irgendwie überzeugte das die Regierung nicht. Die Verhandlungen zogen sich hin.

Die Spur verliert sich

Der 22. November 2000 war für Ngoyi Kasanji ein schwarzer Tag. Da nämlich tauchte sein schöner Diamant plötzlich in Tel Aviv auf. IDI Diamonds, die israelische Firma mit dem kongolesischen Exportmonopol, kündigte an, den Stein nun versteigern zu wollen. IDI-Chef ist Dan Gertl, ein Verwandter des Präsidenten der israelischen Diamantenbörse.

Doch wie kam der Stein aus Kinshasa nach Tel Aviv? Ngoyi bleibt eine Antwort schuldig. Doch Antwerpener Diamantenhändler, die immer alles wissen, tippen, Ngoyi sei von den kongolesischen Behörden gezwungen worden, IDI Diamonds die Sache an seiner Stelle regeln zu lassen. Aus Israel heißt es, der Diamant sei tatsächlich einige Tage später verkauft worden. An wen, sagt Dan Gertl nicht. Er sagt nur, dass der Erlös aus dem Verkauf an Ngoyi Kasanji gegangen sei – natürlich nach Abzug der Kommission und aller Steuern und Gebühren, die Kongos Regierung so einfallen. Das fand Kongos Diamantenhändler-Organisation Fecodi gar nicht komisch. Für Ngoyi Kasanji blieben nämlich nach dieser Rechnung nur noch 5,5 Millionen Dollar, also ein Drittel des Wertes des Steins. Den Rest hatten sich wohl Kabila und Dan Gertl geteilt. Der Druck wurde so groß, dass IDI Diamonds selbst in Kongos Regierungskreisen in die Kritik geriet. Die israelische Firma kaufe ihre Diamanten im Kongo für dermaßen wenig Geld an, dass 70 Prozent von ihnen stattdessen geschmuggelt würden. Damit habe die Firma nur kaschiert, dass sie gar nicht das Geld habe, um ihr Monopol tatsächlich wahrzunehmen.

Eine Petitesse ist, dass seit Januar 1999 laut einem Dekret Kabilas Devisentransaktionen im Kongo verboten waren. Noch im Oktober 2000, drei Monate vor seinem gewaltsamen Tod, dekretierte Kabila, dass Unternehmen ihre Steuern in US-Dollar zahlen müssten. Da niemand legal US-Dollar erwerben kann, muss man schmuggeln oder auf dem Schwarzmarkt Geld tauschen, um seine Steuern legal bezahlen zu können.

Ein Gerücht besagt, dass Kabila das lukrative Diamantengeschäft der überforderten israelischen Firma IDI Diamonds überließ, weil im Gegenzug eine israelische Sicherheitsfirma zugesagt habe, eine Sonderpolizeieinheit im Kongo auszubilden – zum Kampf gegen den Schmuggel.

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