: Ball statt Bill
Aus Mangel an Alternativen soll der Fußballsport den Friedensnobelpreis 2001 bekommen
von LUKAS WALLRAFF
Bill Clinton kommt nicht in Frage. Trotz seiner redlichen Bemühungen ist es dem Expräsidenten nicht mehr gelungen, Frieden im Nahen Osten zu stiften. Die ersatzweise Begnadigung seines koksenden Bruders am letzten Tag im Weißen Haus reicht für den Friedensnobelpreis leider nicht aus. Und andere Kandidaten? Die ETA bombt weiter, ein Kriegsende im Kongo ist unwahrscheinlicher denn je, und aus bekannten Gründen ist auch Joschka Fischer aus dem Kreis der Anwärter ausgeschieden. Das Nobelkomitee ist ratlos.
Lars Gustafsson, Abgeordneter im schwedischen Reichstag, meldete sich jetzt mit einem originellen, aber ernst gemeinten Vorschlag zu Wort: der Fußball! Ja, der Fußball habe mit „denkwürdigen Ereignissen zur Verbrüderung von Völkern“ beigetragen. Als Beispiel nannte Gustafsson die Entsendung einer gemeinsamen Junioren-Nationalelf 1991 durch die sonst verfeindeten Länder Süd- und Nordkorea sowie das WM-Spiel 1998 zwischen den USA und dem Iran.
Mehr fiel Gustafsson leider nicht ein. Dabei gäbe es noch viele Beispiele: Im Jahr 1924 etwa gelang es dem Deutschen Fußball-Bund, einen historischen Waffenstillstand herbeizuführen: durch die Entsendung einer gemeinsamen Nationalmannschaft, bestehend aus elf Spielern der sonst bitter verfeindeten Ethnien Nürnberg und Fürth. Damals erklärten sich die rivalisierenden Stämme erstmals bereit, gemeinsam einen Zug zu besteigen – wenn auch in getrennten Abteilen. Zu nennen wäre auch der Frieden von Gijon 1982, als sich Deutsche und Österreicher auf ein gänzlich defensives Ballgeschiebe einigten – wenn auch zu Ungunsten Algeriens.
Kritische Geister mögen einwenden, zur Geschichte des Fußballs gehörten doch auch gewaltsame Auseinandersetzungen, Hooligans und der „Fußballkrieg“ zwischen Honduras und El Salvador (siehe Kasten). In der Tat könnte die neu entflammte Diskussion um den Nobelpreis zur Klärung der Frage beitragen, ob der Fußball wirklich Auslöser oder einfach nur Schauplatz ist für Konflikte, die sonst anderswo ausgetragen würden.
Ablehnen muss man Gustafssons gut gemeinten Vorschlag trotzdem. Weil das ehrwürdige Nobelkomitee wohl kaum eine schlichte Lederkugel auszeichnen wird, soll der Weltfußballverband Fifa den Preis entgegennehmen. Und was der zur Völkerverständigung beigetragen haben soll, kann niemand erklären. Am wenigsten die Afrikaner, die bei der Vergabe der nächsten WM mal wieder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet wurden.
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