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Kanzler stoppt Gen-Food

Weil sich die „grüne Gentechnik“ dem Verbraucher nach BSE offenbar nicht mehr vermitteln lässt, hat Gerhard Schröder (SPD) ein Initiativtreffen zur Förderung von Gentechpflanzen zwischen der Saatgutindustrie und Regierungsvertretern abgesagt

von WOLFGANG LÖHR

Die gemeinsame Initiative zwischen Bundesregierung und der Gentechindustrie zum Anbau von Gentechpflanzen ist vorläufig gestoppt worden. Überraschend für alle Beteiligten sagte das Bundeskanzleramt kurzfristig das für heute vorgesehene Treffen von Vertretern der Saatgutindustrie und Staatssekretären aus mehreren Ministerien ab.

Eigentlich sollten heute die im November auf Initiative des Bundeskanzlers aufgenommenen Verhandlungen über ein gemeinsames Forschungs- und Anbauprogramm für Gentechpflanzen abgeschlossen werden. Vorgesehen war, dass im Rahmen eines dreijährigen Programms mit staatlicher Hilfe die Umweltauswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen untersucht werden. Im Gegenzug sollten sich die Unternehmen verpflichten, auf den unbegrenzten Anbau von Gentechpflanzen verzichten.

Daraus wird jetzt erst einmal nichts. Begründet wurde die Absage mit der starken Verunsicherung der Verbraucher durch die BSE-Krise. Es müsse überdacht werden, „ob und wie sich die gemeinsame Initiative zur grünen Gentechnik in einer verbraucherorientierten Neuausrichtung der Agrarpolitik einfügen könnte“, heißt es in der Absage.

Nach Angaben von Umweltminister Jürgen Trittin gab es einige strittige Punkte. So habe sein Ministerium auf eine durchgängige Kennzeichnung von Gentechprodukten bestanden, sagte er gestern auf einer Pressekonferenz. Auch Tiere, die mit Gentechpflanzen gefüttert worden sind, beziehungsweise die daraus hergestellten Produkte, sollten gekennzeichnet werden. Dies wollten die Industrievertreter nicht mitmachen.

Damit ist – zumindest für dieses Jahr – die Kanzler-Initiative wahrscheinlich gestorben. Denn, „die Zeit drängt“, sagte Georg Folttmann von der Kleinwanzlebener Saatzucht (KWS) in Einbeck. Selbst wenn es heute zu der Vereinbarung gekommen wäre, wäre es knapp geworden. Spätestens bis Mitte Mai muss das Saatgut ausgebracht werden, und die Vegetationsperiode lässt sich nicht verschieben. Und auch das Forschungsprogramm hätte zunächst noch ausgearbeitet werden müssen.

Zurzeit liegen beim Bundessortenamt weit über 20 Zulassungsanträge für neue Gentechsorten, darunter mehrere Maissorten, aber vor allem Rapspflanzen vor. „Derzeit werden keine Entscheidungen gefällt“, sagte der Präsident des Bundessortenamtes, Udo von Kröcher, noch vor einigen Tagen der taz. „Wir wollen die Kanzler-Initiative nicht stören.“

Ob sich das jetzt nach dem Platzen der Verhandlungen ändert, bleibt abzuwarten. Die Saatgutindustrie jedenfalls wird Druck machen und auf die Zulassungen bestehen.

Bei dem Thema „grüne Gentechnologie“ wird in Zukunft auch verstärkt das neue Verbraucherschutzministerium mitreden. Am Montag gab Bundeskanzler Schröder bekannt, dass das neu zugeschnittene Ministerium auch „federführend zuständig“ für die „grüne Gentechnik“ sein soll.

Wie das in der Praxis aussehen wird, scheint aber allen Beteiligten noch unklar zu sein. Zwar ist Ministerin Renate Künast jetzt für das ehemals zum Gesundheitsministerium gehörende Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) zuständig und damit auch für die Zulassung von Gen-Food. Für das Freisetzen und Inverkehrbringen von Genpflanzen ist aber weiterhin das Gesundheitsressort zuständig. Die beim Robert-Koch-Institut angesiedelte Genehmigungsbehörde habe leider nicht geteilt werden können, sagt Ulrike Höfken, Agrarexpertin der Bundestagsfraktion der Grünen.

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