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Rückendeckung für die Reformkräfte

Der Besuch der Chefanklägerin des UN-Tribunals auf dem Balkan hat den Prozess der „Selbstreinigung“ eingeleitet

SPLIT taz ■ Der Besuch der Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien, Clara del Ponte, in Belgrad und in Zagreb vor einer Woche war nur der Anfang eines Prozesses. Die Ergebnisse der Gespräche mögen für manche enttäuschend sein. Doch war es kaum zu erwarten, dass vor allem Belgrad Slobodan Milošević und vier andere hochrangige Politiker, die sich in Den Haag verantworten sollen, sofort ausliefern würden.

Die Positionen scheinen festgeklopft. Der jugoslawische Präsident Koštunica zog sich auf Anklagen gegen die Nato zurück. Weiter spielte er nach der in Serbien verbreiteten These, alle Nationen seien gleichermaßen am Krieg seit 1991 schuld, die Verantwortung des Milošević-Regimes herunter. Der Jurist betonte, nach serbischen Gesetzen dürfte kein Serbe ausgeliefert werden. Ein Kompromiss wäre höchstens, die Angeklagten in Belgrad aburteilen zu lassen. Die Anklagepunkte bezögen sich dann lediglich auf Machtmissbrauch und Korruption.

Sicher, in allen Nachfolgestaaten Exjugoslawiens fällt es schwer, die „eigene Schuld“ öffentlich zu debattieren. In Serbien wird dieses Eingeständnis nicht nur von den meisten politischen Kräften, sondern vor allem von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt.

Eine Institution wie Den Haag kann aber nicht auf die innenpolitischen Gegebenheiten jedes Staates eingehen. Würde Del Ponte den Forderungen Koštunicas nachgeben, müssten die Vertreter Kroatiens, Bosniens oder des Kosovo protestieren – was im Fall Kroatiens geschehen ist. Ungleiche Behandlung würde in Zagreb als Affront angesehen. Wer Mitglied der UN ist, muss sich, juristisch gesehen, auch einer UN-Organisation beugen.

Das Tribunal muss Druck auf Belgrad machen und braucht dafür internationale Unterstützung. Schon jetzt haben die USA angekündigt, die Wirtschaftshilfe für Serbien zurückzuziehen, falls in der Kriegsverbrecherfrage keine Lösung gefunden würde. Auch die EU wird nicht darum herumkommen, ökonomische Druckmittel zu erwägen.

So ist es kein Wunder, wenn die „pragmatischen“ Kräfte von DOS ihre Position aufzuweichen beginnen und über kurz oder lang in Bezug auf die Kriegsverbrecherfrage nachgeben werden. Geschähe dies, hätte, wie der Philosophieprofessor und Direktor des Helsinki-Komitees in Kroatien, Zarko Puhovski, betont, das Tribunal auch gegen Kroatien Trümpfe in der Hand. Bisher habe Kroatien nur bosnische Kroaten nach Den Haag gehen lassen, nicht Kroaten aus Kroatien – so Generäle, die 1995 die Ermordung von mindestens 680 serbischen Zivilisten zumindest nicht verhindert haben.

Fest steht, dass die Nationalisten aus beiden Staaten das Thema Auslieferung benutzen werden, um nach ihren Wahlniederlagen die Reformkräfte wieder in die Defensive zu drängen. Neben der Wirtschaft wird dieser Punkt von nun an die innenpolitischen Auseinandersetzungen beherrschen. In beiden Ländern sind Koalitionen in der Verantwortung, die scharfen innenpolitischen Konflikten kaum standhalten können. Die Reformkräfte brauchen Den Haag: ohne Druck von außen käme es kaum zur nötigen „Selbstreinigung“. Laut Puhovski wird zudem durch Den Haag die Kriegsschuld „individualisiert“, die Kollektivschuldthese entkräftet. Die internationale Gemeinschaft sollte jedoch mit Fingerspitzengefühl vorgehen.ERICH RATHFELDER

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