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Zeugin im strengen Verhör

■ Fortsetzung im Prozess um Imbissvergewaltigung: Nebenklägerin berichtet Details der Tat / Noch sind viele Fragen offen / Angeklagte schweigen

„Ich kann jetzt nicht mehr.“ Nach Stunden intensiver Befragung war die Zeugin im Prozess um eine Mehrfach-Vergewaltigung am Sielwall mit der Konzentration am Ende. Staatsanwaltschaft und Gericht hatten die 29-Jährige am gestrigen zweiten Verhandlungstag gründlich zum Tathergang befragt, nachdem ein Befangenheitsantrag der Verteidiger gegen den Vorsitzenden Richter abgelehnt worden war.

Die Angeklagte hatte nach einer Anzeige im Juli letzten Jahres zwei ehemalige Beschäftigte des Imbiss Torros als ihre Peiniger identifiziert. „Aber jetzt, wenn die Verteidigung mal ihre Fragen stellen will, wird die Zeugin müde“, sagte der Anwalt des älteren Angeklagten, Stefan Jenkel, ungeduldig. Er habe zwar Verständnis – aber auch noch viel Klärungsbedarf.

Zuvor hatten die Verteidiger der zwei angeklagten 22 und 44 Jahre alten Männer, die durch DNA-Material unterschiedlich belastet werden, auch nur ungern akzeptiert, dass die Zeugin sich vor weiteren Aussagen mit ihrer Nebenklagevertreterin beraten will. Anlass war, dass die Verteidiger Fragen nach einer früheren Vergewaltigung gestellt hatten. Die junge Frau bestätigte, vor acht Jahren einen Bremerhavener wegen Vergewaltigung angezeigt zu haben – und ebenso, dass das Verfahren eingestellt worden war. Nun soll der damals beschuldigte Taxifahrer im aktuellen Verfahren als Zeuge gehört werden. So will es die Verteidigung – immer die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin im Blick. Sie ist die einzige Belastungszeugin der Tat, zu der sich die Angeklagten im Prozess noch nicht äußern wollten. Ihre Version davon, was sich an dem frühen Sonntagmorgen im Juli 1999 im schmierigen Keller des Imbiss zugetragen hat, wird an einem der kommenden Prozesstage über richterliche Vernehmungsprotokolle eingeführt. Solange sind die nicht widerspruchsfreien Aussagen der Nebenklägerin Schwerpunkt des Verfahrens.

Immer wieder bringen dabei die Verteidiger beispielsweise die Sprache darauf, was die Frau gleich nach dem Vorfall einer Nachbarin erzählt hatte: dass bei der Vergewaltigung eim Messer im Spiel war. Gestern erklärte die Zeugin dazu erstmals persönlich, sie habe sich geschämt und der befreundeten Nachbarin ersparen wollen, sich irgendwie schuldig zu fühlen. Logik: Wäre ein Messer im Spiel gewesen, hätte die Nachbarin auch nichts ausrichten können. Denn diese hatte ihr noch nach Mitternacht auf einer Lesben-Fete im Bürgerhaus Weserterrassen angeboten, gemeinsam nach Hause zu gehen. Wenige Stunden später, in den frühen Morgenstunden des Sonntag, sei die Tat geschehen. Diese Freundin mache sich noch heute Vorwürfe.

Ja, bestätigte die Zeugin auch das polizeiliche Vernehmungsprotokoll, wonach sie nicht gewusst habe, wie sie einer weiteren Freundin beibringen solle, „dass sie mitgelatscht war“, wie Verteidiger Erich Joester zitierte. „Es ist schlimm, zu erzählen was war, und dann zu sehen, wie die Freundin weint und zusammenbricht“, rückte sie vor Gericht die nicht deutlich ausgesprochene Auslegung der Verteidigung zurecht, sie sei quasi freiwillig „mitgelatscht.“

Zuvor hatte die junge Frau über zwei Stunden lang von der Vergewaltigung berichtet. Immer wieder stockend, nachdenklich, manchmal widersprüchlich und in zahlreichen Punkten auch ohne jede Erinnerung. Ob ein dritter Mann beispielsweise mit im Keller war, und was er tat, wisse sie nicht. „Da hatte ich einen Filmriss.“ Klar erinnere sie aber, wie sie nach einer langen Partynacht den Imbiss betrat. „Ich hatte Hunger, wollte dann den Hund rausbringen und fix schlafen.“ Völlig überraschend habe der jüngere Angeklagte sie im Verkaufsraum am Kragen gepackt, die Treppe hinunter in den Keller gezerrt und sie dort erst oral, dann anal vergewaltigt. Alle Details der Tat, an der sich mindestens ein weiterer Imbiss-mann beteiligt haben soll, wurden gestern öffentlich erörtert. So hatten es Nebenklagevertreterin und Zeugin abgesprochen.

Wie die Frau zu einem Gehalt von 1,5 Promille im Blut kam, konnte sie jedoch nicht erklären. Sie habe in der gesamten Nacht nur fünf Bier getrunken, betonte sie. Jedenfalls erinnere sie sich nicht an mehr. Ein Gutachter wird nun klären, ob eine Nierenerkrankung der Frau den hohen Alkohoholgehalt bei vergleichsweise wenig getrunkenem Bier erklären kann – und wie sich dies auf deren Wahrnehmung auswirkt. ede

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