: Der Fidel und seine Frau
Statt eines Castro-Buches versendet der List-Verlag eine Kiste. Eine Zigarrenrezension
Warum eigentlich behelligen Buchverlage Redaktionen mit Rezensionsexemplaren ihrer Neuerscheinungen? Jemand muss das lesen, verstehen, Notizen dazu machen, einen Text darüber schreiben, zuletzt entsorgen. In der gleichen Zeit könnte man manches andere, Angenehmere machen. Zum Beispiel eine schöne Zigarre rauchen.
Dies schien sich auch der List-Verlag gedacht zu haben. Er schickte eine schöne Zigarrenkiste, groß genug für einige Doppel Coronas, aufgedruckt ist „LIST para usted“, ein Stern und „Real Fabrica Cigarros“. Eine nette Geste, das macht äußerlich alles einen verheißungsvollen Eindruck. Dem drinnen liegenden Faltblatt kann ich den Hintergrund der Aktion entnehmen. Angekündigt wird ein Buch mit dem Titel „Lieber Fidel“, und jener, mit Käppchen und Zigarre, ist auf dem im Faltblatt abgebildeten Cover zu sehen. Daneben eine Frau, die ihn ansieht.
Die „Buena Vista Social Club“-Welle schwemmt nun also auch Neues über den Comandante en Jefe ans Ufer, dachte ich. Warum denn nicht? Der Mann ist interessant, auch wenn ihm hier zu Lande, so mein Eindruck, nie so recht die angemessene Bedeutung zuteil wurde. Ich glaube, es liegt am Vornamen. Der Deutsche bevorzugt Namen wie Augusto oder Adolfo. Aber Fidel? Das klingt wie der Name des dümmsten der drei kleinen Schweinchen, aber nicht nach einem Diktator, so blutrünstig, dass ihn nicht einmal Alfredo Biolek einladen möchte.
Für seine Untaten muss Castro selbstverständlich tüchtig büßen. Ständig ist der Mann mit Versteckspiel beschäftigt, er wechselt täglich die Wohnung und den Weg zum Arbeitsplatz, und Doppelgänger halten in der Öffentlichkeit den Bart für ihn hin, denn hinter jedem Bush kann sich ein Attentäter reagan. Und selbst wenn er in seinen besten Jahren von einer Frau sagte „Ich kennedy“, so konnte sich doch hinter deren Make-up die hässliche Fratze des US-Imperialismus verbergen.
Womit wir bei der Frau auf dem Buch-Cover wären. Die heißt Marita Lorenz, ist die Co-Autorin und Heldin des Buches, war einmal die zeitweilige Geliebte des Comandante, verließ – von ihm verlassen – Cuba im Jahr 1960, wurde von der CIA angeheuert und sollte in deren Auftrag nach Cuba zurückkehren und Castro vergiften. Was bekanntlich nicht geschah, sonst gäbe es schon lange Havanna-Zigarren in den USA.
Damit komme ich zum anderen Inhalt der Kiste. Als Cigarrero habe ich schon wirklich so manches gesehen, von zweifarbig gestreiften Deckblättern bis zu quadratisch-praktischen Zigarren mit rosafarbenem Äußeren. Und nun das. Was der List-Verlag mit der freundlichen Aufschrift „Für Sie“ verschickt, es nimmt mir den Atem. Nicht, wie es sich angesichts der Kistengröße gehört hätte, ein halbes Dutzend, sondern nur eine einsame Zigarre liegt darin.
Man verstehe mich richtig: Ich will nicht gierig erscheinen, mehr gab der Werbeetat eben nicht her; für die durch CIA und FBI (dem späteren Arbeitgeber) tüchtig Gelinkte, heute von der Wohlfahrt in New York lebende Autorin soll ja auch ein bisschen rumkommen. Aber dieser bedauernswerten Zigarre hatte man nicht einmal eine schützende Hülle – ein Pfennigartikel – mitgegeben, so dass sie auf ihrem langen Versandweg völlig frei und ungehindert in der Kiste hin und her scheppern konnte. Als wäre sie schon auf der Überfahrt der „Granma“ von Mexiko nach Cuba im November 1956 dabei gewesen, mit in Havanna eingezogen und hätte seither im Handschuhkasten eines Taxis gelegen, so sah sie jetzt aus. Ein Bild des Jammers. Als ich sie anfassen will, zerbröselt sie vor meinen Augen zu Staub.
Am Format sehe ich, dass es keine Havanna gewesen sein kann, immerhin ein kleiner Trost. Aber handgerollt war sie und hatte ein derartiges Schicksal somit nicht verdient. Fragen tun sich auf: Was soll uns diese Zigarre sagen? Dass das Buch staubtrockenes Gefasel ist? Dass der Werbeleiter des Verlages sie im Stau auf seinem Oberschenkel gerollt hat und sein Werk nicht mit Wohlgefallen betrachtet? Oder dass die Werbung von jemandem gemacht wird, der als Bürobote sicher gute Dienste tun könnte, aber vom Umgang mit Zigarren so wenig Ahnung hat wie vom Weltgeschehen? Denn Castro raucht seit mehr als einem Jahrzehnt keine Zigarren mehr. Man kann mit Genussmitteln nicht so umgehen. Eine Zigarre ist eine Zigarre ist eine Zigarre. Da kenne ich keinen Spaß. Wenn das Schule macht, kommt demnächst als Werbematerial zu einem Buch über Rinderwahn ein Karton mit einem völlig verfaulten Hähnchen an. Para Usted. Dann doch bitte lieber wieder Rezensionsexemplare!
ARCHI W. BECHLENBERG
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