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Schutz als Nichtsnutz

Mühlenberger Loch und Haseldorfer Marsch: Biotope an der Elbe im Ausgleichs-Puzzle für Airbus und Autobahn  ■ Von Gernot Knödler

Gudrun Heinssen-Levens hat heute schon 3000 Bläss- und Nonnengänse gezählt. „Zum Spaß“, wie sie sagt. Auf dem Acker vor ihrem Haus schlagen sich die großen Vögel scharenweise die Mägen voll. Um sie dabei zu beobachten, braucht Heinssen-Levens lediglich mit Fernrohr und Stativ einmal die Straße zu wechseln. Jetzt steht sie mit einer vermummten Gruppe von NaturfreundInnen im kalten Wind (gefühlte minus 11 Grad) und freute sich dessen, was ihr das Naturschutzgebiet Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland beschert.

Dessen Vielfalt hält der Schutzgebietsbetreuer Uwe Helbing, der die Gruppe an diesem ersten Februar-Sonntag führt, für gefährdet. Denn Schleswig-Holstein und Hamburg wollen das Gebiet auf fragwürdige Weise aufwerten: Eine Fläche, welche bereits heute internationalen Schutz als Ramsar-, FFH- und EU-Vogelschutz-Gebiet genießt, soll noch hochwertiger werden, um die Teilzerstörung eines anderen Ramsar-, FFH- und Vogelschutz-Gebiets – des Mühlenberger Lochs – zu kompensieren. „Wenn das hier Schule macht“, meint Helbing schlicht, „dann können wir einpacken.“

Wie die große Elbbucht gegenüber von Blankenese gehört die Haseldorfer Marsch zur Drehscheibe des Vogelzuges in Nordeuropa. Die Nonnengänse überwintern hier, andere Arten Nutzen das Gebiet als Rastplatz für ihren Zug gen Süden. Seit dem Deichbau Mitte der 70er Jahre kann die Tide nicht mehr ein- und ausschwingen. Der Wasserstand im Gebiet wird über Wehre künstlich hochgehalten. Auf dem feuchten, teils überfluteten Gelände haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten Arten neu angesiedelt, bei anderen sind die Bestände gewachsen: Es gibt Zwergschwäne, Blaukehlchen und Rohrdommeln und mehrere Seeadler-Paare.

Wenn das Gebiet wieder der Tide geöffnet wird, wäre das jetzige Ökosystem an Ende, fürchtet Helbing. Der hohe Wasserstand ließe sich nicht halten. Vögel wie Zwergschwäne und Rohrdommeln aber auch viele Amphibien müssten auswandern. „Alle, die jetzt hier nicht auf der Roten Liste stehen, haben dann halt Pech gehabt“, sagt der Gebietsbetreuer trocken.

Überdies halten es die Naturschützer für zweifelhaft, dass durch die geplante Öffnung aus der Haseldorfer Binnenelbe wie angestrebt ein richtiges Ästuar wird. Denn die Flut soll nur durch zwei Röhren fließen, ihre Höhe würde reguliert. Eisschollen, die die Pflanzenwelt aufmischen und Platz für seltene Arten wie den Schierlings-Wasserfenchel schaffen, blieben draußen.

Zudem steht das Schutzgebiet durch die schleswig-holsteinischen Autobahnpläne unter Druck. Eine Planungsvariante der A20 führt durch die Haseldorfer Marsch. Unweit ihres Häuschens könnte die Einfahrt zum neuen Elbtunnel sein, befürchtet Heinssen-Levens. Das Land wurde im norddeutschen Ausgleichs-Puzzle erst kürzlich dem Schutzgebiet zugeschlagen – als Ersatz für die Elbvertiefung.

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