piwik no script img

PROTEST GEGEN CASTOR-TRANSPORTE VON LA HAGUE IST UNSINNIGPolitische Schizophrenie

Frankreich dürfe nicht zum Endlager für deutschen Atommüll werden, konstatierte die Grüne Jugend Hessen (GJH) an diesem Wochenende. Doch gleichzeitig rief die GJH zu gewaltlosen Demonstrationen und friedlichen Blockaden der Transporte auf. Auch die designierte Parteivorsitzende Claudia Roth argumentierte jüngst so. Das ist politische Schizophrenie. Wahr ist, dass der strahlende deutsche Atomschrott, der seit mehr als einem Jahr auf dem Gelände der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague auf seinen Rücktransport wartet, nicht dort bleiben kann. In der Normandie existiert nämlich kein Endlager für stark radioaktiv verseuchten Atommüll – und schon gar nicht für deutschen. Doch selbst die Grünen, die das verstanden haben, sind zum Teil wild entschlossen, genau diese Rücktransporte zu verhindern.

Es ist die Angst vor dem Verlust der „Heimat“ an der Basis, die Grüne zu diesen politisch schizophrenen Äußerungen veranlasst. Dagegen hilft nur die Wahrheitsdroge; hoch dosiert verabreicht. Die Rücktransporte aus La Hague nach Deutschland sind nämlich nicht nur sachlich notwendig. Sie könnten auch die dringend notwendige Debatte um ein deutsches Endlager für Atommüll anstoßen. Schließlich rollen die Castoren aus La Hague in das Zwischenlager (!) Gorleben. Doch genau vor dieser Debatte fürchten sich alle: Die Exponenten der Bewegung sowieso, die zwischen Basis und Überbau hin und her gerissenen Grünen und auch die prominenten Befürworter der Rücktransporte – von Jürgen Trittin bis Fritz Kuhn. Aber es führt kein Weg daran vorbei: Deutscher Atommüll muss hier endgelagert werden. Die Hinterlassenschaft einer falschen deutschen Energiepolitik darf nicht einfach exportiert werden – auf ein Atoll in der Südsee etwa oder in ein tiefes Loch in Sibiren.

Daher müssten die Grünen eigentlich eine umgekehrte Demonstrationsstrategie verfolgen: nicht Transporte aus La Hague verhindern, sondern Transporte mit abgebrannten Brennelementen aus deutschen Atomkraftwerken dorthin vereiteln. Deutscher Schrott muss in Deutschland bleiben. Er ist ein Druckmittel für den Ausstieg und „Brennstoff“ für die Endlagerdebatte.

Stattdessen sind jedoch weitere politisch schizophrene Handlungen zu erwarten – wenn es etwa um den Protest gegen Zwischenlager bei den Atomkraftwerken geht. Die aber würden Castor-Transporte vermeiden und sind daher nach Meinung des Ökoinstituts der einzig sinnvolle Aufbewahrungsort für die abgebrannten Brennelemente, bis in Deutschland das Endlager steht. Denn was soll der ganze Atommüll auf der Schiene? Im Zweifel hilft hier auch nur die Wahrheitsdroge; maximale Dosierung. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen