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Dem Rinderwahn auf der Spur

Die BSE-Forschung steht in Deutschland erst am Anfang. Nach jahrelanger Abstinenz fließen jetzt Millionen in die Forschertöpfe. Auf der Ostseeinsel Riems wird eine nationale Forschungsstätte für neuartige Tierseuchen aufgebaut

von WOLFGANG LÖHR

Jahrelang haben die meisten Forscher in Deutschland nur zugeschaut wie ihre Kollegen vor allem in Großbritannien, Frankreich und der Schweiz versuchten, dem Auslöser des Rinderwahnsinns BSE auf die Spur zu kommen. Die BSE-Forschung auch hierzulande verstärkt zu fördern, wurde von den Politikern nicht für notwendig erachtet. Wozu sich auch mit einem Problem beschäftigen, das nur die Nachbarstaaten betraf? Deutschland galt ja schließlich als BSE-frei. Erst der Zusammenbruch des Rindfleischmarkts läutete auch in der Forschung eine Wende ein.

Unter dem Druck der Ernährungsindustrie und der verunsicherten Verbraucher werden jetzt – trotz Sparzwangs – die Kassen für die BSE-Forschung gefüllt. So verdreifachte das Gesundheitministerium noch unter grüner Führung seinen Etat für Forschungsprojekte, die sich mit dem Rinderwahnsinn sowie der beim Menschen auftretenden Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) befassen. Rund 15 Millionen Mark, verteilt auf zwei Jahre, gab das Ministerium frei. Vor allem die Entwicklung von Schnelltestverfahren zum Nachweis von BSE bei geschlachteten, aber auch bei lebenden Tieren soll gefördert werden.

Spendabel zeigte sich plötzlich auch die Bayerische Staatsregierung. Einem eilig einberufenem „BSE-Forschungsverbund“ stellte das Wissenschaftsministerium für zwei Jahre insgesamt zehn Millionen Mark zur Verfügung. Wie Wissenschaftsminister Hans Zehetmair (CSU) mitteilte, liegen bereits 56 Forschungsanträge vor, die die bereit gestellte Summe um ein Vielfaches übersteigen: Rund 70 Millionen Mark beantragten die Forscher. Vor allem Wissenschaftler aus den Genforschungszentren in München, Erlangen und Würzburg reichten Anträge ein. Noch in diesem Monat sollen die förderungswürdigen Projekte ausgewählt werden. Beantragt wurden hauptsächlich Projekte, in denen Grundlagenforschung betrieben werden soll, insbesondere Funktionen und Eigenschaften der BSE-Auslöser, die falsch gefalteten Prionen, sollen untersucht werden.

Der Tiermediziner Eckard Wolf vom Genzentrum München, der auch dem dreiköpfigen Vorstand des BSE-Forschungsverbunds angehört, möchte gar BSE-kranke Kühe klonen, berichtet der Focus. „Wir können mit Hilfe der Klonkälber die völlig unbekannte Gentechnik von BSE in Rindern untersuchen“, zitiert das Wochenmagazin den Wissenschaftler, der bereits 1998 als erster in Deutschland mit der Kuh „Uschi“ ein Tier klonte.

Der Forderung der Universität München, einen eigenen Quarantänestall für BSE-verdächtige Rinder in Bayern einzurichten, steht Minister Zehetmair jedoch vorerst ablehnend gegenüber. Weil bislang kein Geld für einen Quarantänestall zur Verfügung steht, betreuen Forscher der Universität München das Kalb einer kranken BSE-Kuh nun auf eigene Kosten. Das Tier war vor einer Woche zur Welt gekommen.

Zehetmair verweist auf das nationale BSE-Forschungsinstitut auf der Ostsseeinsel Riems. Auf dem kleinen 1,25 Kilometer langen und 300 Meter breiten Eiland in der Nähe von Rügen wird derzeit eine Außenstelle der Tübinger „Bundesforschungsanstalt für Viruserkrankungen bei Tieren“ (BFAV) ausgebaut. Das neu gegründete „Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger“ soll demnächst das nationale Referenzzentrum für BSE, das derzeit noch in Tübingen ist, übernehmen. Mit dieser Neugründung wird die Prionen-Forschung – wie vom Bundeslandwirschaftsministerium angekündigt – ausgebaut. 200 Millionen Mark sollen in den nächsten fünf Jahren in das Institut investiert werden, davon rund 10 Millionen Mark allein in die BSE-Forschung. Unter anderem soll auf Riems auch eine Herde mit 30 bis 50 Rindern untergebracht werden, die als Versuchstiere dienen. Vier Rinder, allesamt Nachkommen von BSE-positiven Tieren, leben dort bereits.

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