: „Ohne Rolle, Vision und Gewicht“
Die Union fällt in Meinungsumfragen weit zurück. Berichte über ein Geheimtreffen zwischen Fraktionschef Merz und CSU-Chef Stoiber zeigen einmal mehr, wie angeschlagen Parteichefin Angela Merkel ist. Die CDU bemüht sich um Schadensbegrenzung
von HEIDE OESTREICH
Die Wetterstation Stuttgart meldet Orkanböen aus Berlin. So stark, dass sogar der solide CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel, derzeit Wahlkämpfer in Baden-Württemberg, erschüttert ist. Die Bundes-CDU solle das Ländle doch bitte mit „orkanartigem Gegenwind verschonen“, wenn sie schon keinen Rückenwind gebe.
Die Berliner Führung, pustete Teufel am Wochenende in der Welt am Sonntag zurück, gebe „ein verheerendes Bild“ ab. Statt „Führung und Sachpolitik“ werde „der Öffentlichkeit heillose Zerstrittenheit“ vorgeführt. „Was nützt der beste Kanzlerkandidat, wenn er kein Sachprogramm vorweisen kann, mit dem der Regierung Schröder Paroli geboten werden kann?“ Der Alarm ist berechtigt: Nur noch 28 Prozent der BürgerInnen, fand das Meinungsforschungsinstitut dimap heraus, trauen der Union zu, die aktuellen politischen Probleme lösen zu können.
Vergeblich fordert Teufel, dass die CDU bei Gesundheitspolitik, Rente und Mittelstandspolitik Profil gewinnen solle – am Wochenende war die Parteispitze nur mit weiterer Schadensbegrenzung beschäftigt. Bild am Sonntag hatte gemeldet, Fraktionschef Merz habe sich heimlich mit Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber getroffen, um – an Angela Merkel vorbei – eine neue Angriffsstrategie zu entwerfen. Von Untersuchungsausschüssen zur Vergangenheit von Joschka Fischer und Jürgen Trittin sei die Rede gewesen. Sowohl aus der bayerischen Staatskanzlei als auch aus der CDU-Fraktion wurde daraufhin nach Kräften dementiert. Von Untersuchungsausschüssen sei keine Rede gewesen, und wenn doch, dann wäre Stoiber dagegen gewesen. Angela Merkel habe sehr wohl Bescheid gewusst. Im Übrigen habe es gar keine Ergebnisse gegeben. Alles klar?
Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass Merkels Stand immer wackeliger wird: Um zehn Prozentpunkte auf nunmehr 44 Prozent sank die Zufriedenheit mit der Parteivorsitzenden, heißt es in einer Umfrage für die ARD. „Führung“ trauen die WählerInnen ihr kaum mehr zu: Nur 18 Prozent sahen in Merkel eine geeignete Kanzlerkandidatin. Aber auch für Edmund Stoiber konnten sich nur 23 Prozent erwärmen. Dem selbst ernannten Konkurrenten Friedrich Merz allerdings muss bei der Umfragelektüre flau geworden sein: Nur 5 Prozent sprachen sich für ihn aus. Kein Wunder, dass am Wochenende alle potenziellen Kandidaten sowie der Rest der Parteispitze von Rühe bis Wulff forderten, die unglückselige Debatte zu beenden.
Die Regierung zelebriert derweil den Genuss: Angela Merkels Versuch, sich, Stoiber und Merz zum „Triumvirat“ zu stilisieren, kommentierte SPD-Fraktionschef Peter Struck bissig bis frauenfeindlich: Diese Dreigespanne seien in der römischen Geschichte bekanntlich schnell zerbrochen – und Frauen hätten dort ohnehin keinen Platz gehabt. Generalsekretär Franz Müntefering schreibt heute in der Frankfurter Rundschau, die CDU sei „letztlich immer noch eine Partei des Kalten Krieges“ und ihr Generalsekretär Laurenz Meyer „geradezu ein Prototyp für diese Form, Politik zu machen“. Merkel sei „eine Vorsitzende ohne klare Rolle, ohne Vision, ohne Gewicht“.
Wie verzweifelt selbst CDU-WählerInnen über ihre Lieblingspartei sind, zeigt die dimap-Umfrage: Die meisten, nämlich 50 Prozent, wollten, dass Volker Rühe in Zukunft eine stärkere Rolle in der CDU spielt – der Spitzenpolitiker, der in letzter Zeit schlicht den Mund hielt.
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