: Die unrasierte Wahrheit
■ Wer auf Frisurmoden-Präsentationen geht, ist selbst schuld / Nachhilfe in Sachen „Weiblichkeit“ / Was Männern der Bart, ist Frauen die natürliche Bleiche
Ei, das war knapp. Gerade noch davongekommen. Sie haben mir keine trendigen „Apfelbäckchen“, keine pickelfördernde Paste aufs Gesicht geklatscht und keine künstlichen Goldwimpern an die Augen getackert, auf dass ich Allergien gegen Klebstoffe entwickele, vor denen sich selbst abgebrühte Versuchskaninchen fürchten. Leider, leider hatten sie ihr Schminkköfferchen nicht dabei, sonst hätten sie mich auf der Stelle, im Kuppelsaal des Parkhotels, in eins ihrer Frisurmodelle verwandelt. Die hießen Angelique und Albana und sahen auch so aus. Anlässlich der Präsentation neuester Haupthaar-Mode durch die Friseur-Innung Bremen standen ihnen die Haare fransig zu Berge, manchmal asymmetrisch, immer gefärbt und mit ein „bisschen Produkt“ verfeinert.
Fachbeiratsleiter Peter Ströbl erklärt die für das ungeübte Auge kaum sichtbaren Unterschiede der vier Themen unter dem Motto „Hair de Luxe“: „bad girls“ („Ich sag mal sexy Edelpunk“), „Op Art“ (?), Allure („So ein bisschen Monroe, ein bisschen Madonna – Frauen, die wissen was sie wollen") und „Whoopie“ für die „etwas reifere Frau, die zeigen will, was man hat“. Natürlich sind die Modelle entsprechend angehübscht, damit die Haare nicht so unangenehm auffallen. Ungeschminkte Frauen findet Ströbl mit modisch grauem Dreitagebart in etwa so ästhetisch wie – bitte kurz in die Klischeekiste greifen – genau: „unrasierte Männer“.
Das wollte ich gar nicht wissen, sondern nur, mit welchem Trend ich meine Friseurin belästigen solle. Äußerst charmant und ohne jede bösartige Absicht schmiert er mir nicht nur aufs Brot, dass Frauen ihre Haare täglich waschen, kämmen und stylen sollten, sondern auch, dass mir ein wenig Make-up nicht schaden würde. „Vielleicht ein bisschen Lippenstift, die Augenbrauen zupfen, Wimperntusche und Puder“, es ginge ja nur darum, ein bisschen mehr aus sich zu machen. „Schluck, heul, schnief“, meldet sich das Teenager-Ich in mir. Bin ich nicht schön, so wie ich morgens vom Bett aufs Fahrrad falle? Plötzlich stehe ich im Mittelpunkt von Kuppelsaal und Interesse der ungefähr fünfzehn Beteiligten. Ob ihnen mein Anblick sehr unangenehm ist? Ströbl legt jovial den Arm um mich, ich sei ihm doch nicht böse und verkündet: „Sie ist ja eine ganz süße Person“.
ei
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen