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Verteidiger bittet um Milde für Klein

Im Frankfurter Opec-Prozess fordert Anwalt von Hans-Joachim Klein die Kronzeugenregelung für seinen Mandanten

FRANKFURT taz ■ Am Ende seines Plädoyers bat Rechtsanwalt Eberhard Kempf gestern vor der 21. Großen Strafkammer in Frankfurt am Main um Milde für seinen Mandanten Hans-Joachim Klein. Er bat das Gericht, den wegen des Attentats auf die Ministerkonferenz Erdöl exportierender Länder (Opec) in Wien 1975 angeklagten Klein wegen dreifachen Mordes, Mordversuchs und Geiselnahme nicht lebenslänglich ins Gefängnis zu schicken.

Die Höhe des Strafmaßes stellte Kempf dem Gericht anheim. Dieses solle aber, forderte er, möglichst unter acht Jahren liegen. Der Verteidiger berücksichtigte dabei, dass das Gericht bei Mord wenig Spielraum hat.

Kempf, eigentlich entschiedener Gegner der Kronzeugenregelung, forderte, diese in Kleins Fall mehr noch als in anderen Präzedenzfällen anzuwenden. Klein habe alle Kriterien dafür übererfüllt. Da sei zum einen sein Brief an den Spiegel, in dem er 1977 vor geplanten Anschlägen der Roten Zellen warnte, also Straftaten verhinderte. Dann ein Buch und Interviews, mit denen Klein zur Umkehr aufrief, Strukturen des Terrorismus offengelegte und den Ermittlungsbehörden damit geholfen habe.

Klein selbst sei bei der Tat schwer verletzt worden, habe 23 Jahre als kranker Mann versteckt gelebt, seine Tat nie geleugnet und den Behörden auch nach seiner Verhaftung 1999 wichtige Hinweise gegeben, die auch zur Ergreifung des wegen Beihilfe Mitangeklagten Rudolf Schindler geführt hätten. Strafmildernd wertete Kempf auch die Kindheit Kleins. Bis 1995 habe er gedacht, seine Mutter sei als Jüdin im KZ umgekommen. Dann erst habe er erfahren, dass sie sich kurz nach seiner Geburt mit der Dienstwaffe des Vaters, eines Polizisten, erschossen habe. Er sei in Heimen, bei Pflegeeltern, dann beim prügelnden Vater aufgewachsen.

Klein habe sich den seit 1968 rebellierenden Studenten angeschlossen, weil er dort Anerkennung erfahren habe. Der Sponti-Szene habe er sich entfremdet. Den Revolutionären Zellen sei es danach leichtgefallen, ihn für ihre Zwecke zu rekrutieren.

Zur Teilnahme am Opec-Überfall habe er sich entschlossen, weil er dies als eine „von ihm nie erfahrene Ehre“ empfunden habe. Er sei stolz darauf gewesen, „gebraucht zu werden“ und „der Sache der Palästinenser“ zu helfen. Die Konsequenzen habe er nicht abschätzen können. Klein habe nicht töten wollen und auch selbst niemanden umgebracht. Zuvor hatte Rechtsanwältin Eva Dannenfeldt den Tathergang minutiös rekonstruiert. Beide Verteidiger werteten die Aussagen des Entlastungszeugen S., der den Mitangeklagten Schindler als Opfer einer Verwechslung entlastet hatte, als unglaubwürdig. Klein habe, als er Schindler belastete, „in jedem Punkt die Wahrheit gesagt“.

Das bestritten Schindlers Verteidiger am Nachmittag in ihrem Plädoyer vehement und forderten Freispruch. HEIDE PLATEN

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