: Mann im Schatten
Alfred Sirven zog die Fäden und genoss das Leben – auch flüchtig
BERLIN taz ■ So hat man sich das gute Leben immer vorgestellt: Bei seiner Verhaftung in der Villa auf den Philippinen saß Alfred Sirven vor einem guten Glas französischen Weins. Gelächelt soll er haben. Auf dem Polizeirevier verlor er kurz die Fassung: Das sei alles eine Konstruktion der Presse, schimpfte er, er habe kein Delikt begangen. Und man habe ihm seine Zigarren abgenommen.
Nicht immer gab’s Chablis und Zigarren für Alfred Sirven. 1927 als Sohn eines Druckers in Toulouse geboren, ging er zur Résistance. Später diente er bei den UNO-Truppen in Korea. 1952 überfiel er als Mitglied einer japanischen Gang in Japan eine Bank. Er saß eine Weile ein. Seinem weiteren Werdegang tat das keinen Schaden: Jurastudium, Posten bei Mobil, einem Konkurrenten von Elf, dann bei Moulinex und schließlich Direktor beim Konzern Rhône-Poulenc, wo er Loïk Le Floch-Prigent untersteht, dem Mann, dem er in den folgenden Jahren treu ergeben sein wird.
Sirven ist da bereits ein Mann von Bedeutung: Während seiner Moulinex-Zeit war er als rau, aber bodenständig bekannt. Doch bereits in dieser Zeit entwickelt er eine auffällige Vorliebe für Geheimniskrämerei: Er reserviert Plätze im Restaurant unter dem Mädchennamen seiner Mutter. Er beginnt mit seiner Intrigenpolitik, damit Le Floch-Prigent den Führungsposten bei Elf bekommt. Alfred Sirven, der Mann, der im Hintergrund die Fäden zieht.
Nachdem Mitterrand 1988 französischer Präsident wird, erhält der sozialistische Parteigenosse Le Floch-Prigent 1989 den Posten als Chef des Staatskonzerns Elf. Sirven wird mächtiger Generaldirektor, „Mädchen für alles“. Und mischt sich in alles ein: In Verträge, in die Kontakte zur Regierung, in die Beziehungen zu Vertretern afrikanischer Länder. Er schüchtert Leute ein: „Das Leben ist so kurz. Und wie schnell kann ein Unfall passieren . . .“ Er besticht, zweigt Gelder ab, stellt Leute aus Gefälligkeit zu Spitzengehältern ein, wie Christine Deviers-Joncour, die damalige Geliebte des Ministers Roland Dumas. Und entlässt Leute bei Bedarf, wie die Ex-Ehefrau seines Freundes, zu der Zeit Vorsitzende der Elf-Stiftung.
Er jongliert mit Millionen, besitzt Wohnungen und ein kleines Schloss in Frankreich, eine Wohnung in der Schweiz, eine in Ibiza. Er verschenkt wertvolle Antiquitäten. 1996 ermittelt die französische Justiz wegen Unterschlagungen bei Elf Aquitaine. Sirven bleibt in der Schweiz, die ihm die Einbürgerung anbietet, und bereitet seine Flucht aus Europa vor. Ein französischer Haftbefehl wird ausgestellt. Ende 1997 siedelt Sirven mit Vilma Medina, seiner philippinischen Lebensgefährtin, auf die Philippinen um.
Am 2. Februar 2001 finden ihn schließlich französische Ermittler in einer Villa bei Manila. Sirven schluckt die SIM-Karte seines Handys, aus Gründen der Geheimhaltung. Zurück bleiben eine Kiste französischer Wein und eine Reihe Zigarren. ANTJE BAUER
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