Grüne wollen Stadionausbau stoppen

■ Opposition bewertet SPD-Papier zum Sanierungskurs als vollen Erfolg – der Grünen

„Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen.“ Mit diesem Sprichwort nahmen gestern die oppositionellen Bündnisgrünen den SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen in die Pflicht. Wie berichtet, hatte Böhrnsen nach einer Klausurtagung seiner Fraktion am Montag angekündigt, keine neuen Großprojekte mehr mit staatlichen Geldern finanzieren zu wollen und dies als Kurswechsel in der Sanierungsstrategie angekündigt. Die grüne Fraktionssprecherin Karoline Linnert und die Wirtschaftspolitikerin Helga Trüpel haben diesen Satz genau gelesen und festgestellt: „Es gibt keine neuen Großprojekte.“ Die einzige Lösung, um die nötigen Mittel für das SPD-Programm „Für Bremen begeistern“ zu haben, lautet den Grünen zufolge: sofortiger Kassensturz und Stopp der Projekte, die noch zu stoppen sind und die von den Grünen sowieso niemals begonnen worden wären.

Bereits in der nächsten Bürgerschaftssitzung wollen die Grünen testen, ob SPD und CDU auch pfeifen. In einem Dringlichkeitsantrag fordert die Opposition das Parlament dazu auf, den geplanten 25 Millionen Mark teuren Umbau des Weserstadions abzulehnen. Das hatte zuvor CDU-Landeschef Bernd Neumann ins Gespräch gebracht. Außerdem plädieren die Grünen dafür, aus dem Space-Park auszusteigen. Wenn sie könnten, wie sie wollten, würden Linnert und Trüpel JuristInnen damit beauftragen, nach Ausstiegsklauseln aus dem Projekt zu suchen. Gerade die nach Trüpels Ansicht katastrophale Entwicklung beim Musical „Jekyll & Hyde“ zeige, dass die vom ehemaligen Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller initiierten Großprojekte nicht zur Region passten. Das Musical sei ein Flop, Space und Ocean Park hätten die gleichen Aussichten.

Mit Ausnahme der rund eine Milliarde Mark umfassenden Investitionen im Wissenschaftsbereich haben die Grünen die Großprojekte des Investitionssonderprogramms (ISP) schon mehrfach kritisiert. Doch nach ihrer Einschätzung wachsen inzwischen auch die Zweifel innerhalb der Koalition. So bewertete Linnert das SPD-Papier als „vollen Sieg für die Grünen, weil Böhrnsen viele unserer Vorstellungen übernommen hat“. Trotzdem: „Teile der Koalition wenden sich von Projekten ab, nur noch das Rathaus hält daran fest.“ Ihre Forderung: „Bürgermeister Scherf soll sich erklären.“

Eher als Mundspitzen denn als Pfeifen deutet Helga Trüpel das gestrige Verhalten der Koalition in Sachen Musical. Die SPD hatte zwar beschlossen, dem Musical auch in der sich abzeichnenden neuen Konstellation mit Klaus-Peter Schulenberg als Mehrheitsgesellschafter keine zusätzlichen öffentlichen Gelder mehr zur Verfügung zu stellen. Doch von dieser Deutlichkeit war nach Trüpels Angaben gestern in der Wirtschaftsdeputation nicht mehr viel zu spüren. Auch beim Musicalvertrag seien alle Fragen offen. Für den Geschäftsführer der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft (HVG), Michael Göbel, ist dieser Vertrag, nach dem Bremen das Musical bis 2018 im Schnitt mit jährlich 1,7 Millionen Mark und maximal mit 4,4 Millionen Mark subventioniert, Verhandlungsgrundlage. „Ob das politisch gedeckt ist, konnten CDU und SPD gestern nicht sagen“, sagte Trüpel. Der Verbleib der Rettungshilfen in Höhe von acht Millionen Mark blieb auch unklar. Das Geld steht laut Trüpel inklusive Zinsen erst 2004 bis 2007 im Haushalt. Diese und weitere Verpflichtungen führen dazu, dass Bremens Schuldenstand erneut nach oben korrigiert werden muss. Zu den offiziellen Schulden in Höhe von 17 Milliarden Mark kommen demnach sechs Milliarden Mark hinzu. Die zurzeit 663.000 BremerInnen und BremerhavenerInnen (Stand: Ende 1999) haben pro Nase 34.690 Mark Schulden.

Auch mit einem sofortigen Stopp der Projekte ließe sich daran nicht viel ändern. Nach Schätzungen der Grünen sind von dem 4,8 Milliarden Mark schweren ISP noch etwa 500 Millionen Mark nicht ausgegeben oder durch Verträge fest zugesagt. Dieses Geld würden die Grünen auch ausgeben. Trüpel: „Wir sind nicht gegen das Programm Investieren und Sparen, sondern für eine andere Sanierung.“ Kleinere Projekte vor allem in den Bereichen „sanfte Biotechnologie“, Existenzgründungen, Transfer Wissenschaft-Wirtschaft, Bildung und Kultur würden davon profitieren. Ähnliche Schwerpunkte setzt auch die SPD. Wenn sie das Geld dafür auftreiben will. ck