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Ein Feind der USA für alle Fälle

Wegen Anschlägen auf US-Botschaften in Afrika steht derzeit ein Saudi in New York vor Gericht. Eigentlich zielt die Anklage auf den saudischen Fundamentalistenchef bin Laden

Kritiker zweifeln, dass Gerichte der geeignete Ort für den Kampf gegen Terrorismus sind

WASHINGTON taz ■ Mohamed Rashid Daud el Owhali droht die Todesstrafe. Stimmt sein Geständnis, dann saß der 24-jährige Saudi im August 1998 in dem Kleinbus, der auf dem Gelände der US-Botschaft in Nairobi explodierte. 224 Menschen wurden damals bei zwei Anschlägen in Kenia und Tansania getötet, darunter zwölf US-Bürger. Seit dieser Woche sitzt Owhali zwölf US-Geschworenen gegenüber, die über seine Schuld zu befinden haben.

In Wirklichkeit steht in New York jedoch ein ganz anderer vor Gericht. Der eigentliche Angeklagte heißt Osama bin Laden und ist auf dem besten Weg, Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi als Feindbild Nummer Eins der USA abzulösen. Allerdings residiert der saudische Fundamentalistenführer in Afghanistan und ist für das FBI derzeit ebenso unerreichbar wie für die Lenkraketen der US-Armee. Die US-Justiz begnügt sich deshalb vorerst mit vier mutmaßlichen Helfershelfern. In einem Stellvertreterprozess will sie in den kommenden neun Monaten ihre Verschwörungstheorie belegen, laut der bin Laden der Urheber einer weltweiten und erfolgreichen Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten ist.

Seit das Team von Staatsanwältin Mary Jo White vor acht Jahren die Ermittlungen gegen die Urheber des Attentats auf das World Trade Center in New York aufnahm, spezialisiert es sich auf die Fahndung nach internationalen Terroristen mit islamisch-fundamentalistischen Motiven. Bin Laden und seine Organisation El Kaeda („Die Basis“) sind im Weltbild der Ermittler ein modernes Verbrecherkartell, die „Terror GmbH“, wie das US-Nachrichtenmagazin US News and World Report unlängst titelte.

Die Besetzung des Verfahrens gegen die Botschaftsattentäter erinnert an vergangene Mafiaprozesse. Da gibt es Handlanger wie Owhali, Schreibtischtäter wie den libanesischstämmigen US-Bürger Wadih El Hage, und natürlich die Abtrünnigen aus den eigenen Reihen – wie den Geheimzeugen Dschamal Achmed El Fadl, der seit vergangenem Dienstag über seine Zeit bei El Kaeda auspackt.

Laut der Zeugenaussage des Sudanesen führt bin Laden seinen Krieg gegen die USA schon seit 1991. Auslöser waren demnach der Golfkrieg und die damit verbundene Stationierung von US-Truppen in Saudi-Arabien. Aus der Klageschrift gegen die mutmaßlichen Attentäter geht hervor, dass die USA den Fundamentalistenführer mittlerweile hinter so ziemlich allen Anschlägen vermuten, die seither auf US-Zivilisten oder US-Soldaten in der Region verübt wurden. Das Attentat auf die US-Kaserne in Saudi-Arabien, der Hinterhalt, in den die US-Blauhelme in Somalia gerieten, selbst der jüngste Angriff auf das Kriegsschiff USS Cole in Jemen gehen dieser Lesart zufolge auf das Konto des saudischen Millionärs.

Bin Ladens mutmaßliches Terrornetzwerk dient auch zur Rechtfertigung der weltweiten Rolle des FBI und seiner Ermittlungsmethoden. Die US-Polizei hört nicht nur Handys im fernen Afrika ab, sie durchforstet auch das Internet nach konspirativen Botschaften. Die Zeitung USA Today berichtete am Dienstag unter Berufung auf US-Regierungsbeamte, bin Laden verbreite seine Instruktionen über Porno-Webseiten. Das FBI liegt seit Jahren im Streit mit Datenschützern: Es verlangt einen Hauptschlüssel für die Kommunikation im weltweiten Datennetz.

Kritiker bezweifeln, dass die Gerichte der geeignete Ort sind, um den Kampf gegen den Terrorismus auszutragen. „Dies ist eine politische Angelegenheit“, meint der Politologe Rashid Khalidi von der University of Chicago. Die USA sollten sich zumindest militärisch aus der arabischen Welt zurückziehen, um Fundamentalisten nicht noch mehr öffentliche Unterstützung zu verschaffen. Hardliner teilen Khalidis Analyse, ziehen daraus jedoch ganz andere Schlüsse. Der frühere US-Diplomat Paul Bremer kritisiert die Terrorismusprozesse als Selbstbetrug, da die Haupttäter letztlich unbehelligt blieben.

Der ehemalige CIA-Agent Reuel Marc Gerecht sieht in der Behandlung von Terroristen als Kriminelle sogar eine Gefahr für die weltweite Machtstellung der USA. „Traditionelle Realpolitik und Kanonenboot-Diplomatie“ seien die einzig richtige Antwort auf Attacken gegen US-Bürger, schrieb er in der konservativen Zeitung Weekly Standard. Die Verlagerung der Terrorismusbekämpfung auf die juristische Ebene sei ein Zeichen der Feigheit der Regierung von Bill Clinton gewesen. Gerecht hofft, dass sich diese Politik unter dem neuen US-Präsidenten George W. Bush ändern wird. ELLY JUNGHANS

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