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Stille Post unter Irren

Wenn Bilder zugleich vor dem schützen sollen, was sie darstellen, geht der Schrecken verloren: Der US-Regisseur Philip Kaufman hat mit „Quills“ (Wettbewerb) den brutalen Kampf der Obrigkeit gegen Marquis de Sade gefilmt

von DETLEF KUHLBRODT

Die USA sind ein komisches Land: einerseits der weltweit größte Pornoproduzent, andererseits bis zum Erbrechen puritanisch. Wahrscheinlich hängt beides zusammen, und die Bilder des Obszönen, die aus den USA kommen, entstehen aus Angst vor der Sexualität und haben die klassisch dialektische Funktion, gerade vor dem zu schützen, was sie darstellen. Eingedenk dessen, dass in Hollywood Bilder nie zu sehen sind, deren Freiheit die Filme gleichzeitig fordern, war man gespannt auf Philip Kaufmans Film über den Marquis de Sade.

Doch gleich vorweg: Der Regisseur, der durch seine Verfilmung von Kunderas „Unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ berühmt wurde, geht dem Schrecken, der sich mit de Sade verbindet, aus dem Weg. Sein prominent besetzter Film (de Sade wird vom Oscar-Preisträger Geoffrey Rush gespielt, Kate Winslet von der „Titanic“ ist auch mit dabei), dem man durchaus ansieht, dass es nach einem Theaterstück entstand, erzählt von den Jahren ab 1794, während der Haft in der Irrenanstalt von Charenton.

Die Anstalt wird von einem fortschrittlichen Abbé geleitet. Unter der Anleitung de Sades, der in einer luxuriösen Zweizimmerzelle untergebracht ist, führen die Insassen derbe Theaterstücke auf. De Sade schreibt in seiner Zelle und schmuggelt das Manuskript mit Hilfe der Magd Madeleine (Kate Winslet) in die Außenwelt, wo der anonym erscheinende Roman „Justine“ reißenden Absatz findet. Dass das skandalöse Buch von de Sade ist, weiß jeder und empört die Obrigkeit, die einen neuen, brutalen Leiter der Irrenanstalt beruft, der verhindern soll, dass de Sade weiter veröffentlicht.

Der Film erzählt vom Kampf des Psychiaters gegen den liberalen Abbé, de Sade und seine hübsche Helferin. Man unternimmt alles, um de Sade am Schreiben zu hindern, doch der weiß sich zu wehren. Wenn man ihm Federn, Tinte und Papier nimmt, schreibt er mit Hühnerknochen und Rotwein auf Bettüchern. Als auch das nicht mehr geht, nimmt er sein eigenes Blut und seine Kleidung. Nackt angekettet spricht er seine Geschichten zuletzt als stille Post, die über mehrere Irre bis hin zur Magd Madeleine läuft, die alles begeistert aufschreibt. Ein Kranker läßt sich von der Erzählung inspirieren, tötet die Magd und setzt das Haus in Brand. Zur Strafe schneidet man de Sade die Zunge ab.

Soweit das beeindruckende Stück über das hohe Gut der Meinungsfreiheit und die Repressionen der Obrigkeit (hier scheute Kaufman, die Kirche wie de Sade zum Hauptfeind zu machen), über die anarchistische Macht des Sex usw. Prima Film, und die Arbeit daran sei wunderbar gewesen, berichtet Kaufman: „Während der gesamten Produktion erschienen wir mit unbändiger Freude am Set, umarmten einander und begannen hitzige, emotionale, philosophische und herrlich alberne Dialoge. (...) Der Marquis, sagten wir uns, hätte es geliebt.“ Nur vom Grauen der de Sadeschen Texte bekommt man kaum einen Eindruck.

„Quills“. Regie: Philip Kaufman, USA, 132 Min.

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