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Von der Wiese zum Sperrgebiet

Einst als Abkürzung für die Könige zwischen den Schlössern gebaut, entwickelte sich der Schiffbauerdamm zum Ort für Handwerker. In der DDR litt er unter der Nähe zur Mauer

Da das Gelände flussabwärts lag, siedelten sich hier handwerkliche Betriebe an, die Wasser zum Verschmutzen benötigten

Der Schiffbauerdamm kann auf eine dreihundertjährige bewegte Geschichte zurückblicken. Schon lange bevor ihn die zugezogenen Rheinländer wieder ins Berliner Gedächtnis rückten, war er einmal Teil des kulturellen und großstädtischen Lebens.

Hier lagen einst Felder und Wiesen vor den Toren Berlins, genauer, vor dem Oranienburger Tor. Um für König Friedrich I. die Fahrverbindung zwischen Stadtschloss und Charlottenburger Schloss zu vereinfachen, wurde am rechten Spreeufer ein Damm gebaut, auf dem die Pferde den Kahn zogen. Zweimal täglich schipperte die Fähre Höflinge hin und her. Entsprechend dieser Schiffahrtstechnik wurde die neue Straße Treckschutendamm genannt. Da das Gelände am Rande der Stadt und flussabwärts lag, siedelten sich hier auch solche handwerklichen Betriebe an, die Wasser zum Verschmutzen benötigen: Färber, Gerber, Schlachter und die Bleigießerei für das Dach des Schlosses. Und nicht zuletzt auch einige kleine Schiffbauer, die der Uferstraße dann den neuen Namen gaben. Ein wenig entfernt und auf der anderen Spreeseite stand eine Meierei, genau auf dem Standort des jetzigen Reichstags. Die Straße war von Handwerk geprägt, auch als drum herum die Stadt wuchs.

Seit 1882 überquert die Stadtbahnbrücke die Spree auf der Höhe Albrechtstraße. Durch die direkte Nähe zu dem dabei entstandenen Umsteigebahnhof war die ursprüngliche Manufaktur-Straße nun auch als bürgerliche Wohngegend gefragt. Während in der weiter zurückliegenden Marienstraße noch heute weitgehend die Erstbebauung steht, wurden im 19. Jahrhundert aus den alten zweistöckigen Gebäuden am Damm ansehnliche Bürgerhäuser.

In der 1867 nach Pariser Vorbild erbauten und dann nur ein Jahr genutzten Markthalle wurde kurzerhand ein Zirkus untergebracht, um 1910 ein Theater und bis zu seinem baubedingten Abriss 1981 dann der Friedrichstadtpalast. Jetzt ist dort der Parkplatz des Berliner Ensembles.

Aber auch die Komische Oper, das Lessing-Theater und das Deutsche Theater waren vor dem Krieg in unmittelbarer Nähe. „Daneben prägten kleinere Hotels, Pensionen und Gaststätten von einer vornehmen Zurückhaltung den Charakter dieses Viertels“, schreibt der Chronist Laurenz Demps. Am heutigen Bertolt-Brecht-Platz stand das Hotel Hermes und auf der brachen Ecke zur Weidendammer Brücke das Café Mozart. Ein weiteres Relikt, das legendäre Hotel Adria an der Ecke Friedrichstraße, wurde erst vor einem Jahr abgerissen. Ein Bauschild wirbt hier nun für „das neue Berlin“.

Albert Speers Vorhaben, den Spreeverlauf völlig zu ändern und dabei den Schiffbauerdamm zu opfern, wurden vom Krieg durchkreuzt, doch ist auch so durch die Nähe zu den Regierungsgebäuden viel zerbombt worden. Auch die DDR-Stadtplanung wollte den Schiffbauerdamm vom Stadtplan entfernen. Durch den Bau der Mauer wurde dann aber der westliche Teil des Schiffbauerdamms hinter der S-Bahn-Brücke zum Sperrgebiet und nur mit Passierschein zu betreten. Denn dieser Straßenabschnitt lag in direkter Nähe zur HSiM, der hinteren Sicherungsmauer.

Diese Trennlinie über den Schiffbauerdamm hat er bis heute nicht wirklich überwunden, er wirkt tatsächlich auf der Linie unter der Brücke zerschnitten. Einige Kriegslücken „hinter“ der Brücke werden seit den 80ern durch Plattenbauten für Verwaltung und Ämter geziert. Das „vordere“ nicht gesperrte Stück Straße hatte immerhin noch das traditionsreiche Weinhaus Ganymed und das Weinhaus ABC an Gastronomie zu bieten, als Stasi-Klitschen verschrieene Einrichtungen. Die Theaterleute gingen lieber in die „Möwe“ in der Luisenstraße. KATJA GEULEN

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