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Wettbewerb schlägt Umweltschutz

EU-Kommission für Wettbewerb droht Deutschland mit Gerichtsverfahren: Empfehlung für regionale Produkte durch Umweltbundesamt verstößt gegen freien Wettbewerb. Regierung zittert auch um Agrarwende, die auf Regionalisierung setzt

von BERNHARD PÖTTER

Staatliche Stellen sollten keine Empfehlungen für regionale Produkte abgeben, die aus Umweltsicht vorzuziehen sind. Das sei ein Verstoß gegen den freien Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt, sagt die EU-Kommission. Eine Beschwerde dieses Inhalts hat die Behörde von EU-Kommissar Mario Monti an die deutsche Regierung geschickt und mit einem Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gedroht.

Aufgefallen in Brüssel ist offenbar die Homepage des Umweltbundesamts (UBA). Dort findet sich die „Ökobilanz Getränkeverpackungen für alkoholfreie Getränke und Wein“. Fazit: Mehrwegflaschen haben gegenüber Einwegflaschen eindeutige ökologische Vorteile. Außerdem, fanden die Gutachter, ist der Transport der Getränke die wichtigste Variable bei der Ökobilanz. Deshalb empfiehlt das UBA allen Konsumenten, die Wege möglichst zu verkürzen: „Kaufen Sie Getränke aus der Region, denn: Jeder Kilometer zählt!“, heißt es auf der Homepage und in einer Broschüre des UBA, die mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren unters Volk gebracht wird.

Diese Aufforderung ist nach Auffassung der Brüsseler Wettbewerbshüter aber ein Verstoß gegen den freien Markt. Immerhin diskriminiere hier eine Regierungsstelle Anbieter und Waren, die nicht aus der Region kämen. Das sei ein unzulässiger Eingriff in den Binnenmarkt, so das Argument.

Offiziell gibt es von der Bundesregierung noch keine Stellungnahme. Inoffiziell schütteln die Umweltschützer aus Ministerium und UBA den Kopf darüber, wie die Kommission den „Markt heilig spricht“. Schließlich gehorche der Verbraucher nicht einfach den Empfehlungen, sondern bilde sich eine eigene Meinung. „Wir verbreiten nur Informationen“, heißt es aus dem UBA. Es gehe nicht um die Bevorzugung nationaler Anbieter, sondern um die Region. „In Aachen etwa ist Mineralwasser aus Holland oder Belgien empfehlenswerter als Wasser aus Bayern“, so die Experten.

Die rot-grüne Regierung agiert noch aus einem anderen Grund extrem vorsichtig: Versteift sich Brüssel auf seine Position, könnte die gesamte Agrarwende von Verbraucherministerin Renate Künast gefährdet sein. Die nämlich hatte erst letzte Woche erklärt, „Regional ist erste Wahl“. Eine Veränderung bei den Konsum- und Vertriebsstrukturen hin zur Region sei dringend nötig. Wenn Regierungsstellen diese einfache Wahrheit nicht mehr aussprechen dürfen, so die Angst in der Regierung, wird die Agrarwende nicht weit kommen.

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