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Keine Stellen ohne GmbH: Staatsrätin Motschmann verteidigt die Umstrukturierung des Orchesters

Bremer Orchester in der Krise – Klappe, die Vierte. Oder schon die Zehnte? Bestimmt nicht zum letzten Mal empörten sich am Montagabend in der Bürgerschaft MusikerInnen und MusikliebhaberInnen über die finanzielle Situation des Philharmonischen Staatsorchesters und der Kammerphilharmonie (siehe nebenstehenden Bericht). Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann kämpfte fast allein auf weiter Flur. Im taz- Interview verteidigt sie die geplante GmbH-Gründung.

taz: Frau Motschmann,was war das für ein Gefühl gestern Abend, vor den versammelten Musikfreunden die Buhfrau zu sein?

Elisabeth Motschmann: Ich hab damit im Prinzip kein Problem, weil wir wirklich sehr sorgfältige Vorbereitungen getroffen haben, um eine Zukunftssicherung für die Orchester hinzubekommen. Nicht nur für das Philharmonische Staatsorchester, sondern auch für die Kammerphilharmonie. Dass das nicht im ersten Anlauf auf große Zustimmung stößt, habe ich erwartet.

Was wäre die Ideallösung für das Problem?

Es ist vernünftig, aus der nachgeordneten Dienststelle Philharmonisches Staatsorchester eine Philharmonie GmbH zu machen mit den Trägern Philharmonische Gesellschaft und den Musikern selbst. Wir könnten das Orchester finanziell besser ausstatten, und Entscheidungen könnten unter Beteiligung der Musiker gefällt werden, nicht mehr in der Behörde. Es könnte ein Geschäftsführer, der in jedem Fall gebraucht wird, finanziert werden und vielleicht auch zusätzliche Musiker. Die Philharmoni-sche Gesellschaft hat sich in einer Mitgliederversamm-lung klar hinter dieses Modell gestellt.

Warum ist die Umstrukturie-rung in eine GmbH Voraussetzung dafür, dass die Orchester besser unterstützt werden können?

Als nachgeordnete Dienststelle unterliegen sie zum Beispiel der so genannten PEP-Quote, einer Personaleinspar-quote im öffentlichen Dienst in Bremen. Es ist sehr schwierig, eine Dienststelle aus dieser PEP-Quote herauszunehmen. Wenn aber das Orchester als GmbH über fünf Jahre hinweg ein festes Budget zugewiesen bekommt, dann wäre das ein großes Plus.

Sie sind also in der momentanen Form, die das Orchester hat, gezwungen, Stellen einzusparen, ob Sie wollen oder nicht?

Wir haben das Orchester zeitweilig aus der Quote herausnehmen können. Aus dem Kulturressort werden immer mehr nachgeordnete Dienststellen ausgegliedert, wie zum Beispiel das Focke-Museum und das Übersee-Museum. Das heißt, der Teil der Personalausgaben wird immer kleiner und die PEP-Quote drückt auf immer weniger Mitarbeiter, und dazu zählt das Orchester.

Sie haben dem Staatsorchester mehr Geld in Aussicht gestellt, wenn es der Umwandlung in eine GmbH zustimmt. Woher nehmen Sie das Geld?

Die GmbH-Lösung ist die einzige Chance, überhaupt Geld zu akquirieren, weil wir dann auch Töpfe in Anspruch nehmen können, die wir im eigenen Ressort nicht haben. Innerhalb unserer Eckwerte sehe ich keine Spielräume für zusätzliche Mittel für das Orchester. Das würde ja bedeuten, dass wir es woanders wegnehmen. Dass wir in einer Zeit, wo alle dramatisch einsparen müssen, eine Erhöhung unserer Eckwerte bekommen, halte ich für nicht erreichbar.

Erwarten Sie mit der Umstrukturierung auch Einsparungen?

Das wird sich zeigen. Die jetzige Struktur hat gezeigt, dass die Tarifsteigerungen große Probleme machen, und die kann man besser austarieren, wenn man freier ist für neu einzustellende Musiker. Das soll jedoch kein Modell dafür sein, um Musiker zum Billigtarif einzukaufen. Aber man hat dann eine größere Flexibilität.

Glauben Sie, dass es nach der Umstrukturierung möglich ist, in absehbarer Zeit die geforderten 99 Stellen, die ein A-Orchester ausmachen, zu schaffen?

Das glaube ich nicht. Das ist kein erreichbares Ziel, so schön es wäre. Jeder, der die Musik liebt, wie ich selber auch, kann davon träumen. Realisieren können wir das mit dem derzeitigen Haushaltsetat leider nicht. Das Problem haben wir aber nicht alleine. Es gibt auch in anderen Städten einen Abbau von Musikerstellen und die Schließung von Orchestern. Wir sind aufgefordert, nicht zu verharren auf Positionen, sondern nach vorne zu blicken und die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Wie ist die Meinung innerhalb des Orchesters, treten die Musiker auch intern so geschlossen auf, wie nach außen?

In unserer gemeinsamen Dienstbesprechung war es sehr wohl so, dass ich den Eindruck hatte, dass das Orchester sehr aufnahmebereit war, nachgefragt hat, nachdenklich war. Da war keine geschlossene Front, die dagegen war. Die Stimmung war so, dass sie sagten ,Wir brauchen mehr Informationen'. Es gibt eine Arbeitsgruppe unter unserer Federführung, die jetzt unseren Modellvorschlag im Detail ausformuliert, um eine Arbeitsgrundlage für die Entscheidungen der einzelnen Musiker zu haben. Ich weiß auch, dass es sehr unterschiedliche Meinungen innerhalb des Orches-ters gibt.

Wann glauben Sie, werden Sie sich einigen?

Meine Hoffnung ist, dass wir diese Einigung im Laufe dieses Jahres hinbekommen und dann vielleicht am 1.1.2002 mit der Arbeit in der neuen Rechtsform beginnen können. Auf den Tag will ich mich allerdings nicht festlegen.

Fragen: Susanne Polig

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