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Weiter warten aufs Polizeihaus?

■ Im letzten Jahr hieß es: Die neue Zentralbibliothek kommt nicht, kommt doch ... In diesem Jahr lautet die Wahrheit dagegen: Die neue Zentralbibliothek kommt nicht, kommt doch ...

Im Kühlschrank von Barbara Lison steht eine Sektflasche. Die hat sich die Leiterin der Stadtbibliothek für den Tag X angeschafft, an dem der Mietvertrag für die neue Zentralbibliothek unterschrieben wird. Doch Barbara Lison kommt einfach nicht dazu, den Korken knallen zu lassen. Denn der Tag X wird wieder und wieder verschoben. Damit verzögert sich auch der lang ersehnte Umzug ins Polizeihaus. Während irgendwann einmal vom Jahr 2000 die Rede war, rechnet Lison inzwischen frühestens im Sommer 2003 mit der Eröffnung der größeren Zentrale, die die bisherigen Standorte am Schüsselkorb und in der Neustadt sowie die Musikbibliothek ersetzen soll.

Verantwortlich ist diesmal ausdrücklich nicht die Stadtbibliothek, betonte Lison gestern anlässlich ihrer Jahresbilanz. Dem Vernehmen nach hakt es jetzt an der Ausstattung der Polizeiwache, die im Haus bleiben soll, und an der städtischen Gebäudemanagementfirma GBI. Kurz vor Redaktionsschluss gab Wolfrat Voigt, Geschäftsführer des Investors Zech Immobilien GmbH, Teilentwarnung. „Ich gehe davon aus, dass das kurzfristig gelöst wird“, sagt er. Es ging um Antennen der Polizei und technische Anlagen der Brekom. Mit den Bauvorbereitungen will Zech im März und mit dem Umbau im Sommer beginnen. Nach höchstens 18 Monaten soll das rund 100 Jahre alte Gebäude fertig sein. Den Einzugstermin Sommer 2003 hält Voigt für realistisch. Innen- und Kultursenator Bernt Schulte (CDU) geht dagegen von einem früheren Zeitpunkt aus. Wie sein Sprecher Marcus Beyer gestern auf Anfrage sagte, soll es beim Termin Ende 2002/Anfang 2003 bleiben.

Mit der Eröffnung der neuen Zentrale steht und fällt das seit etwa zehn Jahren geplante Eins-plus-vier-Konzept für die Stadtbibliothek. Wenn Lison und ihre MitarbeiterInnen mit etwa 300.000 Medien, also Büchern, CDs, DVDs, Notensammlungen und Videobändern, an den Wall umziehen, soll auch die Umstrukturierung des restlichen Bibliothekswesens beginnen. Vier statt sieben größere Zweigstellen sollen sich dann über Bremen verteilen. Während im Westen mit der Bibliothek Gröpelingen die Zukunft schon von anderthalb Jahren begonnen hat und im Süden voraussichtlich am Roland-Center eine Zweigstelle eröffnet wird, sind im Osten und vor allem in Bremen-Nord noch viele Fragen offen. Besonders in Bremen-Nord wird gestritten, ob Vegesack oder Lesum der neue Standort wird. Die Nord-BremerInnen wollen indes beide Bibliotheken behalten.

Mit einem Jahresetat von rund 20 Millionen Mark ist die Stadtbibliothek eine der ganz großen Bremer Kultureinrichtungen. Nach eigenen Angaben ist sie mit 1,3 Millionen BesucherInnen in allen 22 Haupt-, Zweig-, Außen- und Nebenstellen sogar der am meisten genutzte Zuwendungsempfänger. Trotz wieder leicht verringerter Gesamtöffnungszeiten stieg die Zahl der Entleihungen um 2,7 Prozent auf über 2,4 Millionen Medien. Für Lison heißt das: Weniger Personal schiebt immer mehr Bücher, CDs, DVDs und Videobänder über die Theke oder, was viel aufwändiger ist, sortiert sie nach Rückgabe wieder in die Regale ein.

Unter anderem darüber debattiert Lison gerade mit der Controlling-Gesellschaft kmb. Wie alle anderen Kultureinrichtungen mit einem Förderwert von über 200.000 Mark muss auch die Stadtbibliothek vierteljährlich Berichte an die städtische Gesellschaft schicken. Die kmb erfasst in ihren Controllingbögen auch, wer die Medien in Teilzeit und in Vollzeit einsortiert oder nach welchen Gehaltsgruppen die auf zurzeit 130 Stellen tätigen MitarbeiterInnen bezahlt werden. Nach Angaben des kmb-Geschäftsführers Volker Heller gehört dieser Bogen zu den Anforderungen aus dem Haus des Finanzsenators Hartmut Perschau (CDU). Er ist also nicht auf dem Mist der kmb gewachsen. Doch so oder so: Für Lison sind diese Angaben nur Gegenstand internen Controllings und nicht für die kmb bestimmt. Mit dieser Ansicht steht der Eigenbetrieb Stadtbibliothek nicht allein. Vielleicht öffnet Barbara Lison ihren Sekt ja auch, wenn dieses Problem gelöst ist. Eines Tages. Oder Jahres. ck

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