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Meine Lorbeeren – deine Lorbeeren

■ Grüne präsentieren Ideen für Beiratsreform, die den Wünschen der parteiübergreifenden Basis entsprechen. Die SPD ist sauer

Der Coup war gelungen: Mit ihrem Entwurf einer Beiratsreform, den sie am kommenden Dienstag als Dringlichkeitsantrag in der Stadtbürgerschaft einbringen wollen und gestern den Medien präsentierten, setzen sich die Bremer Grünen an die Spitze eines parteienübergreifenden Unmuts und Änderungswillens bei den StadtteilpolitikerInnen.

Denn die grünen Bürgerschaftsabgeordneten Matthias Güldner und Karin Mathes fordern genau, was die Beiräte längst wollen und ihnen von der großen Politik verwehrt wird: Mitbestimmung. Oder, feiner: das „Recht auf Einvernehmen“ mit der Behörde. Nach dem aktuellen Beiratsgesetz haben die StadtteilpolitikerInnen zwar viel zu sagen, aber kaum etwas zu entscheiden. Jetzt also „Einvernehmen“. Wenn es partout kein „Einvernehmen“ gibt, soll sich nach grünem Plan ein neu einzurichtender Ausschuss der Sache annehmen. Wenn auch er nicht weiter kommt, soll die strittige Angelegenheit in die Stadtbürgerschaft gehen.

Weitere Punkte des Grünen-Antrags: Beiräte werden nicht zusammen gefasst, es sei denn, sie wollen es selbst. Jeder Beirat bekommt ein Budget – um dessen Höhe zu ermitteln, haben die Grünen zugleich eine kleine Anfrage eingereicht, die nach den Ortsamtskosten 1999 und 2000 fragt. Denn die 6,5 Millionen Mark, mit denen nach einem ersten Entwurf die Große Koalition die Beiräte pauschal ausstatten will, werde gewiss nicht reichen, fürchtet Karin Mathes. Schließlich soll eine personelle Mindestausstattung festgeschrieben werden, damit Zustände wie im Ortsamt Neustadt/Woltmershausen – einst arbeiteten hier acht Menschen, jetzt gerade mal zwei – ein Ende haben.

Schnell müsse es jetzt gehen, befand gestern Matthias Güldner, denn es sei „höchste Gefahr im Verzug für die lokale Demokratie“: Frust, Ärger, Frage nach dem Sinn ehrenamtlicher Lokalpolitik allerorten. Klar sei inzwischen: „Die große Reform wird nicht kommen.“ Innensenator Bernt Schulte (CDU) habe seine Verantwortung an die Arbeitsgruppe der Großen Koalition abgegeben, und deren Entwurf sei nunmal lediglich der „kleinste gemeinsame Nenner“. Deshalb sollen bis April „Nägel mit Köpfen“ her, sprich ein Senatskonzept zur Stärkung der Beiratsarbeit.

Was die Grünen wollen, fordern andere schon längst: Die CDU-Fraktion des Beirats Horn-Lehe etwa hat ein eigenes Papier vorgelegt – wesentliches Element: ein „Veto-Recht“ der Beiräte, das ein „Einigungsgespräch“ mit der Behörde zur Folge haben soll. Ergo findet der Horn-Leher CDU-Mann Stefan Quaß, der grüne Entwurf sei – zwar nicht in allen Punkten – eine „sehr, sehr interessante Sache“.

Andere finden das gar nicht, im Gegenteil. „Richtig gemein“ sei der grüne Vorstoß, sagt die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Renate Möbius. Sie arbeitet mit in der Koalitions-Arbeitsgruppe, die bisher nur einen ersten Entwurf für ein neues Beirätewesen hervorgebracht hat. Und sie war treibende Kraft hinter dem SPD-Parteitagsbeschluss des vergangenen Sommers, der das Recht auf Einvernehmen für Beiräte bereits formuliert hat, das nun – und Güldner betonte gestern diese Übereinstimmung mit roten Ideen – im grünen Papier steht. Renate Möbius hat sich gestern geärgert.

Alle Fraktionen, auch die Grünen, hätten im Dezember ein gemeinsames Vorgehen vereinbart. „Jetzt wo sie merken, dass das Ding heiß wird, preschen sie nach vorne.“ Renate Möbius findet den grünen Entwurf „oberflächlich“. Und mit „heiß“ meint sie: Die SPD ist nahe dran, eine Position zu finden, Recht auf Einvernehmen inklusive. „Wir haben das auf breiter Basis diskutiert, das dauert lange.“

Nun wird aus dem einst gemeinsam geplanten Antrag in der Bürgerschaft ein rein groß-koalitionärer, der laut Möbius anders aussehen wird als besagter erster Entwurf, der an der Basis für Unmut sorgt. Geplant war auch dieser rot-schwarze Antrag für die Februar-Sitzung. Aber bei „gravierenden Schwierigkeiten“, besonders zwischen CDU-Basis und -Führung, die sich mit dem Einvernehmen noch nicht ganz – sorry – grün sind, soll es noch einmal eine Gesamtbeiratssitzung geben. Womit der gemeinsame Antrag nochmal länger dauern würde.

Und der grüne Antrag? Wird wohl abgelehnt werden. Aber dann, erklärten Matthias Güldner und Karin Mathes und taten ganz selbstlos, werden „fortschrittliche Kräfte in der SPD und CDU“ ihren Entwurf „weiterwälzen“, bis er „in anderen Ideen wieder auftaucht.“

sgi

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