ISRAELS POLITIK DER REPRESSION KANN ATTENTATE NICHT VERHINDERN
: Konjunktur der Barbarei

Nun werden wieder Tote beklagt, herrscht unter den Israelis wieder Entsetzen und unter Palästinensern eine gar nicht klammheimliche Freude. Nun wird Palästinenserpräsident Arafat wieder aufgefordert, der Gewalt Einhalt zu gebieten, und er wird sich distanzieren – nicht ohne auf den Ursprung der Gewalt hinzuweisen. Ein grausiges Ritual wird ein weiteres Mal durchgespielt, gefolgt von der immer gleichen Feststellung, dass die Barbarei „der Palästinenser“ allein schon Grund genug wäre, keinen Frieden mit ihnen zu schließen.

An der emotionalen Verhärtung ist nicht zu zweifeln. So wie sich unter Israelis die Trauer um die toten Intifada-Kämpfer sehr in Grenzen hält, so ist unter Palästinensern kein Mitleid mit Israelis zu spüren, die von Palästinensern getötet werden. Doch Zustimmung und Bereitschaft zur Durchführung solcher Attentate sind stark von den politischen Entwicklungen abhängig.

So gab es auch nach den Osloer Verträgen von 1993 Anschläge. Doch diese blieben vereinzelt. Denn im Westjordanland und im Gaza-Streifen hatte sich Hoffnung breitgemacht: Nach dem Abzug der Israelis wurden die omnipräsenten Müllberge beseitigt, es wurden Investitionspläne ausgearbeitet, Palästinenser kamen aus dem Ausland zurück, Aufbruchstimmung herrschte. Anschläge aus einer radikalen Verweigerungshaltung heraus stießen nur bedingt auf Verständnis. Doch nach nur wenigen Jahren stellten die Palästinenser fest, dass sich der Oslo-Prozess nicht in einer Verbesserung der Lebensumstände für sie niederschlug, im Gegenteil. Immer häufiger riegelten die Israelis die nunmehr autonomen Gebiete ab, machten damit hunderttausende Palästinenser arbeitslos.

Schon Mitte der Neunzigerjahre wich der Oslo-Enthusiasmus einer wachsenden Verbitterung, aus der heraus Anschläge als Formen legitimer Selbstverteidigung angesehen wurden und Bombenbauer wie der „Ingenieur“ Yahya Ayash zum Volkshelden aufstiegen. In dieser Verbitterung, die seither noch zugenommen hat, gibt es aber weiterhin Nuancen. So ist es nicht allein den Festtagen zu verdanken, dass um Weihnachten herum die Intifada allgemein abflaute: Es gab noch eine Hoffnung auf Verhandlungen. Die ist seit der Wahl Scharons erloschen. Wer nun den barbarischsten aller Intifada-Wege geht, wird unter den Palästinensern kaum auf Kritik stoßen.

Doch gegen Attentate hilft auch die schärfste Abriegelung der Gebiete nicht. Wenn Scharon nun versucht, mit noch größerer Härte zu reagieren, werden nur noch mehr Attentäter bereitstehen. Es gibt keine Alternative: Nur die Aussicht auf Hoffnung kann das Meer der Solidarität austrocknen, in dem die Attentäter schwimmen. ANTJE BAUER