: Alles – nur nicht kommerziell
■ Die Galerie Gruppe Grün feiert ein Jahr lang ihren 30sten mit sieben Paralleluniversen. Heute entsteht eines davon
„Einmal war der Peter Broetzmann da. Der hat so ganz schräge Sachen auf dem Saxophon gespielt. Das war kaum anzuhören. Also für uns ja schon, aber nicht für den Mann über uns. Das war so ein kleiner mit Stock. Der kam dann runter und hat den Broetzmann mit –nem Glasbaustein, das war unser Aschenbecher, bedroht. Der hätte den Broetzmann beinahe erschlagen.“ Helmut Streich, 55, Künstler, erzählt von einem Höhepunkt aus 30 Jahren Galeriegeschichte. „Ach, es gab so viele Höhepunkte“, findet Peter-Jörg Splettstößer, 63, auch Künstler, und meint damit die Kunst, die Ausstellungen und nicht die Glasbausteinattacken.
Seit dem Umzug im Jahr 1979 hat sich in der Galerie Gruppe Grün am Fedelhören kaum etwas verändert. Und doch so viel. Im Jahr 1979 ist die damals acht Jahre junge Galerie Gruppe Grün in das Haus am Fedelhören 32 eingezogen und harrt seitdem dort aus. Innen pulsiert das Leben. Mannsgroße Installationen haben die Räume gefüllt und wurden wieder abgebaut. Die Wände wurden bemalt und wieder weiß übertüncht. Bilder wurden auf- und wieder abgehängt. In 30 Jahren passiert viel. Mittendrin stehen drei Menschen, die von Anfang an dabei waren. Helmut Streich, Otto Völker und Peter-Jörg Splettstößer zählen zu den Gründungsvätern der Galerie Gruppe Grün. Damals war Bremen Entwicklungsland in Sachen junge Kunst. Die Kunsthalle machte damals noch einen großen Bogen um aktuelle Kunst. Im Sommer 1971 waren die Absolventen der Staatlichen Kunstschule Bremen (heute Hochschule für Künste) die ständigen Bittgänge um Ausstellungsraum in den vorhandenen Galerien satt und gründeten kurzerhand ihre eigene. „Wir wollten unsere Arbeiten zeigen. Also schlossen wir uns zusammen und mieteten einen Raum“, erzählt Peter-Jörg Splettstößer.
Man konnte sich nicht auf einen Namen einigen. Vorschläge kamen von allen Seiten. Einer lautete: Gruppe Grau. Darauf ein verzweifelter Ausruf: „Dann können wir uns ja gleich Gruppe Grün nennen“. Das war dann die Geburtsstunde des Projekts. Die erste Ausstellung – damals noch im Domizil in der Kolpingstraße – fand im Mai 1972 statt.
Heute Abend beginnt wieder eine neue Ausstellung, ganze 30 Jahre nach Unterzeichnung des Gründungsvertrages der Produzentengalerie. Ein stolzes Alter für ein solches Projekt. Die Galerie Gruppe Grün ist vermutlich die einzige Produzentengalerie in Deutschland, die bis heute durchgehalten hat. „Vergleichbare Projekte haben entweder aufgegeben oder sind kommerziell geworden.“
Die Gruppe Grün ist alles andere als kommerziell. „Die Künster fragen uns schon mal, ob man bei uns auch verkaufen darf. Im Prinzip darf man natürlich, nur es passiert so gut wie nie.“ Die jetzigen sechs Mitglieder der Gruppe arbeiten ehrenamtlich und zahlen selbst Beiträge, um die Ausstellungen mitzufinanzieren. „Inzwischen haben wir so einen kleinen Status erreicht. Die Miete wird zum Beispiel von der Stadt Bremen übernommen.“
Bei den Vernissagen gibt es nicht nur exzellenten Wein, sondern auch jede Menge junges Volk. Bei den Mitgliedern selbst aber steigt das Durchschnittsalter stetig. Der Künstlernachwuchs, meint Splettstößer, sei heute oft zu karriereorientiert. „Viele von ihnen haben keine Lust, sich für etwas einzusetzen, ohne dafür Kohle zu verlangen.“ Die Kritik der Galerie Gruppe Grün trifft aber nicht nur den Künstlernachwuchs, sondern auch die Marktmechanismen, Einschaltquoten, kulturpolitischen Richtlinien, Zeitgeistverbeugungen, die Profilierungssucht der heutigen Zeit und überhaupt.
Bei der Gruppe Grün dagegen herrscht Basisdemokratie: Bei der Auswahl der Künstler hat jedes Mitglied ein Vetorecht. „Wenn es nur ein oder zwei Gegenpositionen gibt, dann findet diese Ausstellung ganz einfach nicht statt“, erklärt Splettstößer. „Es gibt dann zu starke Gegenkräfte, und das ist für niemanden gut – weder für die Künstler noch für die Gruppe.“
Das Programm zum Jubliäumsjahr entstand allerdings etwas anders. „Wir haben sieben Künstler angeschrieben, für die ihre Ausstellung in der Galerie Gruppe Grün ein entscheidender Schritt in der Karriere war. Diese Sieben sollten dann ihrerseits einen Künstler oder eine Künstlerin anschreiben und mit denen zusammen eine Ausstellung machen.“ So entstanden „parallele Universien“, wie sie das Motto des Gruppe-Grün-Jubiläumsjahres auch verspricht.
Die heute beginnende Ausstellung von Franz Immos und Michael Berkhemer sind zwei solche ,Universien'. Michael Berkhemer ist eine Entdeckung von Franz Immos. Entdeckerfreude blitzt allerdings auch in den Augen von Peter-Jörg Splettstößer: „Wir sind sehr darauf erpicht, Entdeckungen zu machen und nicht Positionen vorzustellen, die durch die Kunstmuseen abgesichert sind.“ Neues, noch nie Dagewesenes, Gewagtes soll in die Räume am Fedelhören einziehen, nicht die dritte Kopie der dritten Kopie. Das war so, ist so, und soll auch so bleiben. Susanne Polig
Immos' und Berkhemers' Arbeiten sind bis zum 16.3. in der Galerie Gruppe Grün, Fedelhören 32, zu sehen. Vernissage heute, 20 Uhr, Öffnungsz.: Mi, Do, Fr 15-18 Uhr.
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