piwik no script img

So schön wie die Lieblingsmannschaft

Dragqueens beim Volleyball, Wrestling für Büroangestellte, sportives Menschenjagen, kleine Jungs auf falschen Bänken: Neben den diversen Krankenhausfilmen sind auch die Sportfilme bei der Berlinale dieses Jahr ganz groß

Weil es so viele Filme gibt, sieht jeder seine eigene Berlinale. Für den einen ist es die Berlinale mit Hildegard Knef, Kirk Douglas, Anthony Hopkins, für die anderen ist es die Berlinale schöner Liebesfilme, die letzte Berlinale von Moritz de Hadeln und Ulrich Gregor oder die Berlinale seltsamster Krankenhaus- und Operationsszenen. Ich denke dabei nicht nur an die oft beschriebene Wie-esse-ich-mein-Gehirn-Szene aus Ridley Scotts „Hannibal“, zu der es, nebenbei gesagt, übrigens eine Parallelstelle in Wittgensteins „Blaues Buch“ gibt, wo der Philosoph darüber nachdenkt, ob man einem Gehirn ansehen könnte, worüber es nachdenkt, sondern auch an „Help!“, den neuen Film des Hongkonger Regisseurs Johnnie To, der die Operationsszenen seiner Helden im weißen Kittel im gleichen rasanten Stil gedreht und geschnitten hat wie zuvor seine tollen Gangsterfilme. Oder an „Inugami“, wo eine Frau davon träumt, dass ihr Bauch aufgeschnitten würde. Männer schauen ins Innere ihres Bauchs, in dem ein Architekturmodell mehrerer Häuser mit Auto, Garage, Bäumen und kleinen Menschenfiguren herumstehen. Mir fallen mindestens noch drei weitere Filme ein, in denen das fachgerechte Aufschneiden von Menschen eine Rolle spielt.

Bestimmt genauso häufig ging es während der Filmfestspiele um die Welt des Sports. Ein Kinderfilm behandelte das klassische Thema eines kleinen, schmächtigen Jungen, der im Fußballverein immer auf der Ersatzbank sitzt, den falschen Verein verehrt, oft verkloppt wird und nach allerlei Drangsal am Ende dann doch ein paar Törchen schießt.

Im Erwachsenenprogramm ging es unter anderem ums Reality-TV-mäßige, sehr sportive Menschenjagen („Series 7“), um den Siegeszug einer thailändischen Volleyballmannschaft und zweimal auch ums Wrestling. Während der sehr harte, schöne japanische Dokumentarfilm „Gaea Girls“ von einem Trainingslager für Frauenwrestling erzählte, berichtete die koreanische Forums-Film-Komödie „The Foul King“ von einem schüchternen Bankangestellten, der ständig von seinem Chef drangsaliert und immer in den Schwitzkasten genommen wird, wenn er mal wieder zu spät zur Arbeit kommt. Der junge Bankangestellte lernt also Wrestling; alles wird prima, man fühlt sich fröhlich und unbeschwert beim Gucken und möchte auch nicht entscheiden, ob man „The Foul King“ oder aber dem thailändischen Kassenknüller„Sa Tree Lex/ Iron Ladies“ die angenehmsten Stunden des Festivals zu verdanken hat.

„Iron Ladies“ beruht auf einer wahren Geschichte und erzählt von einer Volleyballmannschaft, die bis auf einen „echten“ Mann nur aus Dragqueens besteht, also schwulen Männern, die sich gerne als Frauen verkleiden und es auch in dem vergleichsweise liberalen Thailand auf ihrem Weg zur Landesmeisterschaft nicht einfach haben gegen konservative Sportfunktionäre. Der temporeiche und irgendwie sehr erfrischende Film ist entspannt engagiert, spannend und besticht durch wunderbare Situationskomik. Die Darsteller waren so sympathisch, schön und selbstbewusst tuntig, so herzzerreißend komisch und pathetisch, dass man am liebsten auch gleich schwul geworden wäre. In jedem Fall freute ich mich über ihre Siege nicht weniger als über die Siege meiner königsblauen Lieblingsmannschaft. Und das will schon was heißen. Wenn Sie verstehen, was ich meine.

DETLEF KUHLBRODT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen