: Proteste gegen Präsident Mesić
In Zagreb beschimpfen mehr als 10.000 Demonstranten den kroatischen Staatschef und seine „rote Regierung“. Sie werfen ihm die Kooperation mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag vor. Österreichs Botschaft wird Ziel eines Anschlags
aus Zagreb ERICH RATHFELDER
Mit den Rufen „Mesić ist ein Zigeuner“ versuchten gestern tausende rechts gerichtete Demonstranten in Zagreb, den kroatischen Präsidenten Stipe Mesić zu schmähen. Sie forderten von Regierung und Präsident, die „Verfolgung“ des kroatischen Generals und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Mirko Norac einzustellen, der sich vor einem Gericht in Rijeka verantworten soll, seit einer Woche jedoch an einem unbekannten Ort untergetaucht ist.
Wie aufgeheizt die Atmosphäre in Kroatien nach den Aufmärschen der Nationalisten vom Wochenende in Split und Osijek ist, zeigt ein Gerangel während einer Parlamentssitzung, die gestern zeitgleich mit der Demonstration in Zagreb stattfand. Der Abgeordnete der ehemaligen Regierungspartei HDZ, General Ljubo Cesić, genannt Rojs, schlug auf einen Abgeordneten der Regierungspartei ein und erzwang so den Abbruch der Sitzung. Ein Brandanschlag auf die Botschaft Österreichs in Zagreb gibt zudem Anlass zu Spekulationen, ob sich die Proteste auch gegen ausländische Mächte richten, die das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag unterstützen.
Nach den machtvollen Demonstrationen vom Wochenende hatten die Initiatoren für die zentrale Veranstaltung in der kroatischen Hauptstadt mit mehreren hunderttausend Teilnehmern gerechnet. Es waren jedoch nur 10.000 bis 15.000 Menschen, die vor dem Palast des Präsidenten und dem Parlament den Reden der Kriegsveteranen und anderer Nationalisten zuhörten. Die Stimmung war weiterhin gereizt. „Besser Brot und Öl statt die Roten an der Macht“, hieß es auf Transparenten. Der liberale und für die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal eintretende Mesić wurde mit dem serbischen Namen „Stevan“ belegt und als „Sprecher des jugoslawischen Präsidenten Kostunica“ bezeichnet.
Die aus sechs Parteien bestehende Regierungskoalition unter Führung der Sozialdemokraten wurde pauschal als kommunistisch diffamiert. Es waren vor allem junge Männer gekommen, die selbst in der kroatischen Armee gekämpft hatten. „Wir haben unser Land verteidigt, der vaterländische Krieg war eine große Sache, wo stünden wir, wenn wir nicht gekämpft hätten“, sagte Ivan P., der aus Dalmatien stammt. Dass einer der Ihren, der erst 33-jährige Mirko Norac, ein Kriegsverbrecher sein soll, geht ihm nicht in den Kopf, obwohl dieser beschuldigt wird, 1991 in der kroatischen Stadt Gospic 40 serbische Zivilisten ermordet zu haben. „Was haben denn die Serben gemacht? Die haben einfach unsere Städte und Dörfer zerstört und 10.000 umgebracht“, erklärte er unter dem Beifall von Mitdemonstranten.
Der Veteranenverband und die ehemalige Regierungspartei HDZ wie auch die extremistische „Partei des Rechts“ haben zu den Demonstrationen und Aktionen, wie die Blockierung der Hauptverkehrswege zwischen der Hauptstadt und Dalmatien, aufgerufen. Gestern sollte ein von den Initiatoren an die Regierung gestelltes Ultimatum ablaufen. Die Demonstranten forderten bisher, jegliche Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Internationalen Tribunal in Den Haag aufzukündigen und die Ermittlungen gegen General Mirko Norac einzustellen.
Beide Forderungen können jedoch nicht erfüllt werden, selbst wenn die Regierung dies wollte. Die Kooperation mit Den Haag habe nach Aussagen von Regierungsvertretern die Kooperation Kroatiens mit dem Ausland eingeleitet, und die Verfassung lasse keinen Druck der Regierung auf die unabhängige Justiz zu. „Wir haben die Wahlen gewonnen, weil wir die Demokratisierung Kroatiens versprachen. Eine unabhängige Justiz ist eine Voraussetzung der Demokratisierung,“ erklärte ein Sprecher von Innenministers Sime Lucin.
Dass die Demonstranten an diesem Punkt ihre antidemokratische Weltanschauung bewiesen, darin stimmen viele Kommentatoren der kroatischen Medien überein. Sie weisen zudem darauf hin, dass die Straßenblockaden die nächste Tourismussaison überschatten würden. Das Ziel der Parteien des rechten Blockes sei, den Wirtschaftsaufschwung, für den der Tourismus eine Voraussetzung sei, zu verhindern, um dann selbst wieder an die Macht zu gelangen.
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