piwik no script img

Die Kuh wird gemolken

„Wer wird Millionär?“ ist nicht nur im Fernsehen ein glänzendes Geschäft: Der Name der Show ist inzwischen zur Marke geworden, der Verkauf von Brett- und Computerspielen läuft auf Hochtouren

von JAN FUHRHOP

Diese Show ist gute Unterhaltung. Man kann sich über dumme Menschen lustig machen und sich gleichzeitig darüber freuen, dass man nicht selbst dort sitzt und schwitzt. Sie ist auch Emanzipierungshilfe: Der ansonsten leicht dröge Günther Jauch ist inzwischen vom Schwiegersohn zur heimlichen Affäre aufgestiegen. Die Hörzu würdigte seine Moderation mit der Goldenen Kamera. Aber vor allem ist „Wer wird Millionär?“ eine riesige Geldmaschine, die auf Hochtouren läuft. Das Euter der Kuh ist prall gefüllt und will gemolken werden.

Run auf Quotenkönigin

Der Name der Ratesendung (von Fans nur noch mit „WwM“ betitelt) ist zum Selbstgänger geworden, seit der Marktanteil konstant bei über 30 Prozent liegt und in allen Medien die Wiedergeburt der klassischen Ratesendung gepriesen wird. Am 12. Februar erreichte die Quotenkönigin 12,85 Millionen Zuschauer und einem Marktanteil von 43,3 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen. Da ist es selbstverständlich, dass Werbekunden gerne bei RTL ihre Spots zeigen, wenn Jauch sagt: „Wir sehen uns gleich wieder.“ Zwei Werbeblöcke gibt es in jeder WwM-Show. Wer dort seine Filmchen unterbringen möchte, lässt sich das einiges kosten: Im Jahr 2001 liegen die Preise für einen 30-Sekunden-Spot zwischen 78.000 und 85.500 Euro. Zum Vergleich: Bei der kürzlich im Sog der Quizshow-Erfolgswelle gestarteten Sendung „Multimillionär“ auf RTL 2 ist ein Dreißigsekünder in einer der drei Werbeinseln schon ab 16.290 Euro zu haben. „Die Unterschiede zwischen erster und zweiter TV-Liga sind schon ganz erheblich“, sagt Jan Isenbart von IP-Deutschland, dem Werbepausen-Verkäufer von RTL und RTL 2.

Neben der Einnahmequelle durch Werbespots tun sich für die WwM-Macher aber noch etliche weitere Möglichkeiten auf, an dem Ratefieber im Land zu verdienen. Das fängt schon bei dem Versuch an, sich als Kandidat zu bewerben. Dafür muss man nämlich eine 01 90-Nummer wählen, bei der pro Minute Sprechzeit 1,21 DM berechnet werden. Die Einnahmen teilen sich RTL und die Deutsche Telekom. Wer das größere Stück vom Kuchen bekommt, wollte man nicht mitteilen. Auch die Anzahl der eingehenden Anrufe auf der Berwerberhotline mochte Simone Danne von RTL New Media, einer Tochtergesellschaft des Senders, nicht verraten: „Dann könnten sie ja ganz leicht ausrechnen, wie viel wir verdienen.“

Weiterhin haben RTL New Media und die englische Celador Productions gemeinsam die Lizenrechte für die Brett- und die Computer/Videospiel-Version der Show. Die Firma Eidos Interactive hat rechtzeitig zugeschlagen und macht mit der PC-Ausgabe das Geschäft ihres Lebens. Bereits kurze Zeit nach dem deutschen Verkaufsstart im Dezember 2000 waren 100.000 Exemplare über den Ladentisch gegangen, inzwischen wurden über 300.000 Spiele abgesetzt – zum Stückpreis von 69,95 DM.

In England, wo Eidos das Spiel ebenfalls vertreibt, wurde nur das Lara-Croft-Spektakel „Tomb Raider III“ öfter verkauft.

„ ‚Wer wird Millionär?‘ ist schon jetzt eines der meistverkauften Computerspiele aller Zeiten“, schwärmt Eidos-Pressesprecher Theodossios Theodoridis und fügt bedauernd an: „In der Startphase hatten wir in unserer Abteilung nicht mal Testexemplare, die waren alle in die Läden gegangen.“

Lizenz zum Verdienen

Für die Rückständigen ohne Computer gibt es von Jumbo das Brettspiel zum Preis von 89,95 DM, das ebenfalls ein „bombastischer Erfolg“ ist, wie Yvonne Hobitz aus der Jumbo-Marketingabteilung versichert: „Es läuft hervorragend, und es gibt zahlreiche Vorbestellungen der Händler.“ Seit dem Verkaufsstart am 6. Oktober des vergangenen Jahres sind rund 450.000 Spiele abgesetzt worden.

Und wer offline nicht genug bekommt, der kann sich auch online durch die Fragen klicken. Entweder zu jeder Zeit im Trainingslager auf der RTL-Homepage oder im Kampf um 5.000 DM Prämie parallel zur Sendung. Für diese Internetauftritte und für alle Digital-TV-Angebote liegen die Lizenzrechte weltweit ebenfalls bei RTL New Media und Celador Productions. Neben der Abgabe von Lizenzen wird natürlich auch im Netz mit Werbung Geld gemacht. Und dabei reichen keine üblichen Banner mehr: Will man ins Trainingslager, kommt erst mal die Bahn. Und zwar „fullscreen“. Das heißt, man bekommt nach dem Klick auf dem ganzen Bildschirm einen Werbespot der Deutschen Bahn zu sehen und landet dann wieder da, wo man vorher war. Ganz ohne Training.

Eine ausuferndes Merchandising wie bei „Big Brother“ ist aber bei „Wer wird Millionär?“ wohl nicht zu erwarten. Es sei denn, die Konsumenten wollen in Bettwäsche mit dem Konterfei des bisher einzigen Millionärs der Sendung schlafen – oder Günther Jauch nimmt eine CD auf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen