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Die Wilden vom Stadtpark

■ 3. Internationale Umweltfilmtage zeigen Streifen über träumende Kühe und walfischende Menschen aus unbekannten Regionen

Wie klein und bescheiden ist die „Umwelt“ von JournalistInnen: quengelnde KollegInnen, ranzige Kaffeetassen, Berge herrenloser Faxe am Boden und Boris Beckers Babs als Bildschirmschoner. Grenzenlos dagegen die Umwelt der gesamten Menschheit. Der widmen sich die Umweltfilmtage in 30 Filmen an sieben Tagen in drei Kinos (Lagerhaus, Kino 46, Cinema) mit sechs leibhaftigen RegisseurInnen und mindestens 685 Themen: der olympiareifen Springtechnik von Bremer Eichhörnchen („Die Wilden vom Stadtpark“), dem Geheimnis der Göttlichkeit von Martin Kieferts Bratwürsten („Hier kommt die Wurst“), der langwierigen Errichtung eines Kühlturms im zentraliranischen Hochland („Der Windturmbauer“) und dem Aspergillus niger, jenem Schimmelpilz, der uns in unseren Duschen durch eklige Siffflecken verärgert und uns andererseits in vielen Zitronenjoghurts durch seinen „naturechten“ Zitrusgeschmack entzückt.

Und dann geht es um Menschen; um Helden und Opfer, um ein Kind, dessen Leben durch Neurodermitis versaut wird, und um eine uralte Bäuerin, die in Reih und Glied mit Alternativos und Autonomen wacker gegen das AKW Wyhl kämpfte. Und weil unser Konsumverhalten seine schlimmsten Umweltauswirkungen nicht in Europa oder Japan zeigt, sondern in Afrika oder so, beinhaltet Ökologie immer auch Ökonomie. Und auch Ethnologie: Man sollte etwas über jene Menschen wissen, die man mit Missgeburten und Nierenschäden eindeckt.

Zum Beispiel über indonesische Bauern, deren Existenz durch den Chlor-Ausstoß der Papierindustrie vernichtet wird. „Das schmutzige Geschäft mit dem weißen Papier“ heißt der für das TV produzierte Film von Altemeier & Hornung. Und es ist ein Unterschied, ob man über diesen Schmutz auf jenem weißen Papier liest oder ihn sieht: diese müden Augen, mit denen eine Bäuerin ihre verkrüppelten, fruchtlosen Obstbäume betrauert, oder das Stöhnen eines Alten, der sich mit einem Hautausschlag herumplagt – auch wenn die Weltbank strenge Umweltauflagen macht, bevor sie eine Papierfabrik finanziert. So wie das deutsche Wirtschaftsministerium diese Industrie fördert – und die deutsche Entwicklungspolitik Ökoprojekte, um den angerichteten Schaden wieder ein bisschen gut zu machen.

Eher belustigend ist dagegen der Film „Was in unserem Essen steckt“: Die Luxusbakterien des Joghurts, die „probiotischen“, wurden aus tierischem Darm extrahiert. Perfekter Wertstoffkreislauf. „Der Lebensmittelindustrie ist es gelungen, Scheiße zu verkaufen.“ Und Süßstoff erzeugt Hunger und wird darum als Mastmittel in der Tierhaltung eingesetzt; wir Menschen halten ihn für einen Schlankmacher. Richtiggehend tröstlich, dass Himbeergeschmack aus etwas so vornehmem wie Zedernholz erzeugt wird. Wobei der Film trotz interessanter Informationen anfangs mit didaktischem Firlefanz nervt. Auch der Walfängermythos „Makah – Die den Wal fangen“ ist mit 113 Minuten üppig dimensioniert – obwohl er das wunderbar verlangsamte Zeitgefühl, das am Rande der Zivilisation überlebt hat, schön auf die Leinwand bringt.

Nicht jeder Umweltfilm befriedigt den Cineasten restlos. „Aber es werden immer mehr“, meint Peter Brodersen vom Verein ÖkoStadt, der das Festival zusammen mit Peter Pusch vom Verein Medien-coop organisiert. Es sind zumeist preisgekrönte Filme des Freiburger Ökomedia-Festivals und des Göttinger International Ethnographic Film Festivals. Dazu kommen Bremer Beiträge, etwa eine Satire über den Kampf zwischen Kaninchen und ihren natürlichen Feinden, den Taxifahrern, auf Norderney. Einige Filme stammen von Profis in Coproduktion mit TV-Sendern, andere von Überzeugungstätern, die sich quasi ehrenamtlich für ihre Sache einsetzen – und das eben auch filmisch, mit oft winzigem Budget.

Mit ihrem Etat um die 20.000 Mark kann man die Umweltfilmtage wirklich nicht sündhaft teuer nennen. Da aber zurzeit jede Institution in Bremen mit Kürzungen rechnen muss, laden die Veranstalter am 22. Februar um 15 Uhr in den Presseclub (Schnoor) zu einer Diskussion über Ökofilme und das Festival. Neben diversen Filmemachern und Ini-Menschen geladen: Klaus Sondergeld von der Bremen Marketing Gesellschaft. bk

Kinoprogramm für Schulen Tel.: 70 10 00 ab 19.2.; offiz. Eröffnung: 21.2 um 19 Uhr. Programm unter www.kulturzentrum-lagerhaus.de .

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