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„Eingefleischte Verhaltensweisen“

Martina Schäfer von der TU Berlin hat beobachtet, dass Einkaufen im Bioladen vor allem eine Gewohnheitssache ist und wenig mit dem Einkommen zu tun hat. Für ein Gelingen der Agrarwende müssen Öko-Produkte in Supermärkten präsenter sein

Interview BERNHARD PÖTTER

Die Agrarwende braucht Konsumenten, die nicht nur auf den Preis gucken. Machen die Verbraucher da mit?

Es bleibt abzuwarten, wie tief der BSE-Schock sitzt. Wir haben festgestellt, dass ökologisches Einkaufen eine Gewohnheitssache ist. Es kostet einigen Aufwand, eingefleischte Verhaltensweisen zu verändern.

Hat die Biolandwirtschaft ein Image-Problem?

Zum Teil. Früher hieß es, die Bio-Äpfel sind so schrumpelig, die schmecken nicht. Die Qualität ist gestiegen, viele Leute finden über den Geschmack zu Bio-Produkten.

Schmecken Bio-Äpfel besser?

Ja. Die Produkte haben sich vom Aussehen her angeglichen, und der Geschmack bei den Bio-Lebensmitteln ist besser. Die Frage ist: Was kann der Verbraucher heute noch schmecken? Vielleicht muss man mit Geschmacksunterricht schon in den Schulen anfangen, um die Menschen wieder an guten Geschmack heranzuführen.

Ministerin Künast will eine kulturelle Wende.

Unsere Kultur ist, gemeinsam zu essen, Freude daran zu haben, und sich auch bei der Zubereitung ein bisschen Mühe zu geben. Das ist mit dem Kauf von Bioprodukten verbunden.

Aber das ist doch illusorisch. Unsere Essgewohnheiten spiegeln doch unsere Lebensgewohnheiten wider: Schnell und unverbindlich. Kann man das denn zurückdrehen?

Darum kann es ja nicht gehen. Man muss unterscheiden, es gibt den Alltag in der Familie, da muss es auch flott gehen, darauf haben sich auch die Bio-Anbieter mit Convenience-Produkten eingestellt. Aber es ist auch ein Wert, mal ein richtig schönes Essen zu machen, zusammenzusitzen und zu plaudern.

Ist Bio nicht etwas, was sich nur Reiche leisten können?

Nein, wir haben festgestellt, dass alle Einkommensgruppen Öko-Lebensmittel kaufen. Zwei Drittel der Leute, die wir befragt haben, hatten ein geringes bis mittleres Einkommen. Ein Drittel der Leute verdient etwa nur 1.500 Mark monatlich. Das ist eine Frage der Prioritäten und der Bedürfnisse: Frische und saisonale Produkte, etwas weniger Fleisch, dann ist der Warenkorb nicht mehr viel teurer als bei konventionellen Lebensmitteln.

Frau Künast will den Anteil des ökologischen Landbaus von knapp drei auf zwanzig Prozent steigern. Ist das nicht utopisch?

Nein. Was uns in Deutschland wirklich fehlt, ist eine starke Initiative auch des konventionellen Handels, wie das in Österreich und der Schweiz stattgefunden hat. Es gibt bisher keine Handelskette, die sich darauf konzentriert. Die Bio-Ecken werden mitgeführt, es wird nicht offensiv damit geworben.

Hat der Handel auch ein wirtschaftliches Interesse daran oder ist das nur ein moralischer Appell?

Natürlich hat er ein ökonomisches Interesse daran. Der Handel leidet ja an den geringen Margen, gerade die kleineren Anbieter müssen aufgeben. Da ist es eine Chance, sich mit Qualitätsprodukten zu profilieren.

Aber wenn sich alle über bessere Qualität definieren sollen, landen die höheren Preise doch beim Verbraucher.

Gute Waren gibt es eben nicht zu Billigstpreisen. Aber man muss auch sehen, dass die konventionellen Produkte uns über Steuern und Folgekosten, wie etwa die Reinigung von Grundwasser bedingt durch die intensive Landwirtschaft, viel mehr kosten, als auf ihrem Preisschild steht.

Welche Strategie könnte den Ökolandbau aus der Nische rausholen?

Man muss den Konsumenten klarmachen, dass billige Lebensmittel eigentlich teurer sind. Zudem sollte man auf den regionalen Bezug achten, nämlich dass ich in der Region die Landschaft genießen kann und Arbeitsplätze erhalte, wenn ich dort eine Landwirtschaft am Leben halte. Schließlich muss man verschiedene Konsumenten erreichen. Die Produkte müssen in die Supermärkte und auf die Wochenmärkte.

Das ist eine Bedrohung für die Bioläden.

Viele haben darauf reagiert, haben modernisiert und erweitert, um Kunden weiterhin zu binden. Aber auch die Verbraucher müssen ihre Vorurteile ablegen. Das Image „Birkenstocksandalen und Wollpullis“ stimmt schon lange nicht mehr.

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