: Pulsieren und Werden
Von der Zeit zum „Welt – Raum“: Stockhausen und mehr beim diesjährigen Musikfest ■ Von Alexander Diehl
Als zur Vorstellung des Programms des diesjährigen Hamburger Musikfestes gebeten wurde, war die Laune allseits gut. Zunächst erinnerten der musikalische Leiter Ingo Metzmacher, Geschäftsführer Benedikt Stampa und Kultursenatorin Christina Weiss an den letztjährigen Vorgänger: Jenem ersten Musikfest nach der Wiederbelebung hatten insgesamt immerhin rund 10.000 BesucherInnen beigewohnt, laut Stampa eine Auslastung von 50 % . Ob solcher Zahlen signalisierte man Zufriedenheit – nicht zuletzt, weil sich das Musikfest ja ausdrücklich auf die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts konzentriert, und sich „mit diesem Schwerpunkt von den anderen Musikfestivals der Region klar ab grenzt“, so Weiss. Einig war man sich indes, dass der Publikumszuspruch doch noch zu steigern sein müsse.
Dazu dürfte es um so mehr heißen, aus Publikumsträchtigem und Gewagterem ein Programm zu entwerfen, um das Haus (beziehungsweise die Häuser: Noch häufiger als im Vorjahr wird der kleine Saal der gastgebenden Musikhalle bespielt) zu füllen, dabei den eigenen Ambitionen in Punkto Kontroverse noch gerecht zu werden. Und während sich die MacherInnen etablierterer Festivals mit ähnlich gelagerter Programmatik weiter aus diversen Fenstern lehnen können in der Gewissheit, auf eingespieltes, sich als progressiv verstehendes Publikum zählen zu können, gilt das für das in der jetzigen Form vergleichsweise junge Hamburger Musikfest eben (noch) nicht so ohne weiteres.
Zentraler Stellenwert kommt da auch in diesem Jahr dem Oberthema zu: Im vergangenen Jahr hatte sich das Musikfest dem Oberthema „Zeit“ gewidmet und war diesem wohl zentralen Aspekt allen Musikalischen nachgegangen; als vielleicht glücklichster Einfall stellte sich dabei „Die lange Nacht der Zeit“ heraus, die Stampas Wunsch, auch neue Publikumsschichten in die Musikhalle zu locken, eindrucksvoll Folge leistete.
In diesem Jahr liegt das thematische Augenmerk auf dem ungleich weniger selbstverständlichen Motto „Welt – Raum“. „Im Mittelpunkt steht Musik, die sich fasziniert zeigt vom Innenleben der Räume, vom Werden und Pulsieren des Planeten Erde, vom Kosmos“, nennen das die VeranstalterInnen. Denn: „Seit jeher zeigten sich Musiker von Schöpfungsmythen beeindruckt, von den großen Erzählungen der Entdecker, von der Musik fremder Erdteile, von der Unendlichkeit des Alls.“
Dass da Holsts Planeten irgendwo im Programm auftauchen müssen, überrascht nicht (die Hamburger Symphoniker und der NDR-Chor führen auf), auch Kagels Stücke der Windrose liegen irgendwie auf der Hand; weiterhin benennt Metzmacher die Figur des Reisenden Marco Polo als besonders symbolhaft, der sich das renommierte ASKO-Ensemble und das Ensemble Ony Wytars in unterschiedlicher Weise widmen werden. Das Thema ein wenig anders angehen wird möglicherweise Karl-Heinz Stockhausen, der nach Hamburg reist, um an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils zwei Konzerte selbst anzuleiten. Den wohl folgenreichsten bundesdeutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts, der überdies als an Motiven des Kosmischen ausdrücklich interessiert gilt, dazu zu bewegen, bedurfte, so skizzierte Metzmacher, beträchtlicher Überzeugungsarbeit.
Wieder sind Hamburgs drei große Orchester beteiligt, flankiert von bedeutsamen Gastensembles. So wird das Eröffnungskonzert zeitgenössisches Programm namens „Absolute Mix“ sein, gespielt vom New Yorker Absolute Ensemble unter Kristjan Järvi, das in relativ kurzer Zeit zu einer Institution im Bereich Neuer Musik und des Crossover zu benachbarten HörerInnenschichten geworden ist.
Gehalten haben sich Metzmacher und Stampa an einen Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft, bei künftigen Musikfesten mögen Kinder und Jugendliche nicht ausschließlich als HörerInnen, sondern auch anderweitig die teilnehmen können: So sollen SchülerInnen unter anderem Kommentartexte für das Programmheft schreiben.
15.-22. September 2001; der Vorverkauf beginnt am 2. Mai, Vorbestellungen werden ab sofort entgegengenommen
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