: Angst, den Frieden zu verpassen
Während in Israels Arbeitspartei die Fetzen fliegen, befürwortet deren Wählerschaft eine große Koalition. Jael Dayan, Labour-Mitglied und Tochter des ehemaligen Außenministers, sieht keinen Krieg kommen. Keine Eile, Barak als Parteichef abzuwählen
Interview SUSANNE KNAUL
taz: Es gibt kritische Stimmen, die ein Zusammengehen der Arbeitspartei mit Scharon ablehnen. Können Sie Baraks Koalitionsbereitschaft verstehen?
Jael Dayan: Wir haben am Wochenende eine Umfrage unter unseren Wählern abgehalten. Die meisten sind für eine große Koalition. Ich persönlich bin dagegen. Anfang nächster Woche findet der Parteitag statt, dann wird es zu einer Abstimmung darüber kommen.
Ihr Vater hat in den 70er-Jahren die Arbeitspartei verlassen und wurde Außenminister in der konservativen Regierung von Menachem Begin. Ist die heutige Situation vergleichbar?
Auf keinen Fall. Dajan wurde Mitglied der Begin-Regierung, nachdem er diesem einen Vertrag diktiert hatte, der letztendlich zum Frieden mit Ägypten führte. Heute ist genau das Gegenteil der Fall. Es ist mehr als zweifelhaft, dass es Barak gelingen wird, Scharon zu einer Fortsetzung des Osloer Friedensprozesses zu bewegen.
Ihre Partei hat am Tag vor der Wahl die Israelis aufgerufen, die Bunker vorzubereiten. Wie sind Ihre düstersten Aussichten für die nahe Zukunft?
Einen Krieg wird es nicht geben. Gegen wen – gegen die Palästinenser?
Welche Mittel stehen Scharon im Kampf gegen die Palästinenser zur Verfügung?
Alle Mittel. Er kann eine Atombombe werfen. Ich weiß nicht, was er machen wird. Für mich ist das Schlimmste, dass der Friedensprozess unterbrochen wird. Ohne Verhandlungen wird es zwangsläufig zu neuer Gewalt kommen. Es geht nicht um Krieg oder nicht Krieg. Wir würden jeden Krieg gewinnen. Meine Sorge ist, dass wir den Frieden verpassen.
Die Arbeitspartei steckt in einer tiefen Krise. Wie ist es dazu gekommen?
Wir haben einen Vorsitzenden, und der hat seinen Rücktritt angekündigt. Also müssen wir einen neuen wählen. Solche Situationen führen automatisch zu internen Machtkämpfen. Ich hoffe, dass wir nächste Woche einen Termin für die Wahl des neuen Vorsitzenden festlegen werden. Ich persönlich habe es damit nicht eilig, schließlich stehen derzeit keine Parlamentswahlen an. Vorläufig geht es auch mit Barak als Vorsitzendem. Ich bin gegen Übergangslösungen, wenn für sie keine wirkliche Notwendigkeit besteht.
Wird es zu einer Spaltung der Partei kommen?
Ich glaube nicht, dass es in naher Zukunft zu einer Spaltung kommen wird. Wegen der Koalitionsbildung sicher nicht. In dieser Frage wird die Mehrheit darüber entscheiden, und die Minderheit wird mit dem Ergebnis leben müssen. Es gibt allerdings Pläne, einen neuen Block zu gründen. Diese Pläne sind nicht neu, die gab es schon vor den Koalitionsverhandlungen. Ob ich mich dem neuen Block anschließe, werde ich entscheiden, wenn es soweit ist. Für mich wäre es ohnehin nur interessant, wenn die ideologische Basis die der Arbeitspartei bleibt.
Es gibt Stimmen, die Scharons Regierung keine großen Überlebenschancen geben. Wie lange wird er Ihrer Meinung durchhalten?
Das Entscheidende ist, das bestehende Wahlrecht zu verändern und zu der alten Wahl zurückzukehren, bei der der Premierminister nicht per Direktwahl bestimmt, sondern von der stärksten Fraktion gestellt wird. Im Moment haben wir hoffentlich eine Mehrheit dafür. Die Frage ist, ob das Gesetz für die nächste oder erst für die übernächste Wahl gültig wird. Es gibt den Vorschlag, das Gesetz an ein bestimmtes Datum zu knüpfen. In solch einem Fall wäre ich dafür, dass Scharons Regierung bis zur Änderung des Wahlgesetzes bestehen bleibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen