: Pasta con Flickflack
■ Der Kinderzirkus Tortellini feiert seinen zehnten Geburtstag und den Abschied der Obernudel mit einer pompösen Gala in der Kesselhalle des Bremer Schlachthofes
„Eigentlich heiße ich Reinhard“, sagt Herr Penski und nippt an seinem Cappuccino. „Aber so nennt mich kein Mensch.“ Als er zwölf Jahre alt war, wurde aus Reinhard der Penny – wegen des Nachnamens und der Einfachheit halber. Penny Penski war bis zu seinem 17. Lebensjahr Kunstturner in Stade. Groß war er, zu groß: Das Reck musste für ihn höher gestellt werden, weil er sonst am Boden entlangschrammte.
Heute ist Penny Penski 46, multifunktional, Musiker, Schauspieler, Zauberlehrling, Akrobat und seit zehn Jahren Tortellini-Chef. Kein Nudelfabrikant, sondern Kopf des gleichnamigen Kinderzirkus'. Das Schlachthof-Projekt war damals, im Jahr 1991, auf zwei Jahre angelegt. Aber Penny Penski hat weitergemacht. „Ich fand es schade, nach zwei Jahren aufzuhören. Die Kinder hatten da Lust drauf.“ Penski auch. Hatte er doch extra ein Seiltanzgestell gebastelt, ein Trampolin, Keulen, Matten und Bälle angeschafft.
Zehn Jahre wöchentliches Training. Zehn Jahre Auftritte im Schlachthof, Haus im Park, in Schulen und Bürgerhäusern. In zehn Jahren wurden viele Tortellinis zu Akrobatikkünstlern. Penski hat sie alle eingeladen, zur großen Jubliäumsgala am Samstag in der Kesselhalle.
„Im Laufe der Jahre sind fast 150 Kinder durch meine Hände gegangen“, hat der Zirkuslehrer ausgerechnet. Manche von ihnen haben es ganz schön weit gebracht. Drei seiner ehemaligen Schüler sind inzwischen bei der Zirkusschule in Berlin gelandet. Einer davon trainiert zur Zeit beim Moskauer Staatszirkus. „Der war so zweieinhalb Jahre bei Tortellini und damals schon ein Tier“, erinnert sich Penski, während er in seiner Tasse rührt. „Er hat in einer Woche gelernt, mit vier Bällen zu jonglieren, fuhr mit Einrädern und Hochrädern.“ Ein anderer besucht eine Clownschule in England.
Tortellini-Anwärter müssen sich für mindestens ein halbes Jahr verpflichten. „Ich wollte nicht jede Woche neue Gesichter sehen, damit ich mit den Kids etwas aufbauen kann und sie dabei auch etwas lernen können.“ Und das haben sie. Einige der jetzigen Zirkuskindern jonglieren, turnen oder seiltanzen schon seit fünf oder sechs Jahren unter der Federführung des Multi-Pennys. Die Kinder fangen oft mit acht Jahren bei Tortellini an, in der Pubertät gibt es dann einen großen Wechsel. „Ich habe jedesmal ein weinendes Auge, wenn einer geht.“
Auch Penny braucht mal wieder einen Wechsel im künstlerischen Schaffen. Mit 40 entschloss er sich, den Kindern keinen Flickflack mehr vorzuturnen. Jetzt, mit 47, hört er mit der Vorturnerei endgültig auf. „Die Kinder konnten nach jeweils einem halben Jahr wählen, ob sie bleiben oder gehen. Jetzt habe ich auch gewählt.“
Deswegen ist die Tortellini-Gala Geburtstag und Abschied zugleich. Eine Doppelfeier. Der Nudelvater wird in kleinkariertem Anzug mit Punktekrawatte einen Tortellini-Geburtstags-Hiphop-Song rappen. Er übt schon fleißig. Seine Zirkusnudeln auch. Bei manchen Proben wird Penski aus dem Raum geworfen, damit die Überraschung am Gala-Abend perfekt wird.
Es gibt Akrobaten, Jongleure, Einradfahrer, Trapezkünstler und sogar echte Fakire. „Da ist ein Junge, der hat mit fünf Jahren eine Fakirshow gesehen. Danach kam er zu mir und meinte: ,Ich möchte Fakir sein!' Sein Vater hat ihm ein Nagelbrett gebaut und ich die Scherben beigesteuert.“ Aber es wird kein Blut fließen am Samstag. Wie das geht? Penny schmunzelt und schlürft den letzten Milchschaumrest aus der Cappuccinotasse. Altes Fakirgeheimnis, „das wird nicht verraten“.
Susanne Polig
Die Tortellini-Geburtstagsgala steigt am Samstag um 19 Uhr in der Kesselhalle.
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