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Der Banken-Bumerang

Das gescheiterte Aubis-Projekt der Bankgesellschaft war nur eines von vielen. Risiken schlummern im ostdeutschen Immobiliengeschäft. Im Optimismus der Nachwende wurden faule Kredite gewährt

von RICHARD ROTHER

Die Bonner sind an allem schuld. Erst stuft der Regierungsumzug die Berliner Lokalpolitiker in die Rolle hauptstädtischer Statisten herab – und nun könnte eine bislang weithin unbekannte Bonner Behörde für den größten politischen Erdrutsch seit dem Mauerfall sorgen. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat mit seiner Sonderprüfung der Berliner Bankgesellschaft nicht nur Klaus Landowsky einen hochdotierten Bankjob vermasselt – jetzt wackelt auch das ganze System der Westberliner CDU-Herrschaft, für die Fraktionschef Landowsky und Landeschef Eberhard Diepgen stehen.

Den Anfang vom möglichen Ende markierte zu Jahresbeginn ein Zeitungsartikel, irgendwo im Wirtschaftsteil der FAZ versteckt. Darin hieß es, die Bonner Bankenaufsicht, die offiziell keine Stellungnahmen zu Prüfungen abgeben darf, verlange von der Bankgesellschaft zusätzliche Wertberichtigungen in dreistelliger Millionenhöhe – wegen des gescheiterten Aubis-Geschäfts der Berlin Hyp, der Immobilientochter der Bank, deren Chef Landowsky noch bis Mai ist.

Dass die Bankgesellschaft in der Krise steckt, ist seit langem bekannt. Dass sich aber die Bankenaufsicht mit offenbar geschönten Bilanzen beschäftigen muss – das brachte nicht nur die Opposition, sondern auch den Koalitionspartner SPD und Finanzsenator Peter Kurth (CDU) in Stellung. Nach und nach kamen Landowskys Parteispende und weitere gravierende Risiken bei der Bankgesellschaft ans Licht, die zu 56,6 Prozent dem Land gehört.

Wie schwerwiegend die Probleme sind, lässt sich an den dramatischen Ereignissen der letzten Tage ablesen: Aufsichtratsmitglied Kurth musste einschreiten, legte ein milliardenschweres In-sich-Geschäft der Bank auf Eis, um die Risikoverlagerung und damit -potenzierung in die Zukunft zu stoppen. Die Bankgesellschaft verschob die Vorlage der Jahresbilanz, die Ratingagentur Moody’s prüft die Herabstufung des Instituts, der Aktienkurs sackte nach einem Höchststand von 18 Euro auf rund 13 Euro, und die SPD-Haushaltsexpertin Hella Dunger-Löper fand dramatische Worte: „Es bricht an allen Ecken und Enden.“

Das gescheiterte Aubis-Geschäft, das Landowsky das Genick als Hyp-Chef brach, ist allerdings eines von vielen. Die strukturellen Probleme der Bank liegen tiefer, als dieses mit dem Ruch der Korruption behaftete Geschäft vermuten lässt. Probleme, die sowohl auf die katastrophale wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland als auch auf den typischen Größenwahn der Berliner Politik zurückzuführen sind – die gescheiterte Olympia-Bewerbung und der noch immer nicht realisierte Großflughafen sind Beispiele.

1994 vereinigte die Bankgesellschaft die Berliner Bank, die Landesbank und die Berlin Hyp. Mit der Bankgesellschaft, die eine Bilanzsumme von rund 400 Milliarden Mark aufweist, sollte in der künftigen Hauptstadt eine Bank entstehen, die im Konzert der großen öffentlichen und Privatbanken mitspielen sollte. Im Gespräch war zudem eine Fusion mit der NordLB, die jedoch scheiterte. Dennoch blieb die Geschäftspolitik optimistisch: Die Bank expandierte stark, vor allem in Ostdeutschland und Osteuropa, Märkten, die – im Gegensatz zum Westen – in Bewegung waren und in denen die Bank nicht gegen eine etablierte Konkurrenz antreten musste.

Die „blühenden Landschaften“ in den neuen Bundesländern lassen allerdings weiter auf sich warten. So manch ansässige Firmen hat Schwierigkeiten, ihre Kredite zurückzuzahlen. Konzernchef Wolfgang Rupf spricht von 5 Milliarden Mark „ungeliebten Krediten“ im Konzern. Die größte Sorgen bereitet dabei der Immobilienbereich, für den Landowsky zuständig ist. Noch Mitte der 90er-Jahre glaubten viele, mit Wohn- und Bürobauten in Ostdeutschland und Berlin das große Geld machen zu können. Die Realität ist ernüchternd: In Berlin stehen rund 2 Millionen Quadratmeter Bürofläche leer. Und in manch ostdeutschem Plattenbau fehlen hinter jedem zweiten Stock die üblichen Gardinen.

Und dieser Bumerang der ostdeutschen Marktwirtschaft könnte nun auf die größte Stadt der Region zurückfallen: Berlin. Sollte die Bankgesellschaft tatsächlich ihre Bilanzen bereinigen, wie Finanzsenator Kurth fordert, gefährdet das die Ausschüttung der Dividende. Folge: Berlin muss 135 Millionen Mark Einnahmeverluste verkraften – in diesem Jahr. Dann können nur noch die Bonner helfen, die jetzt in Berlin sitzen.

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