: Schweigend aus der Krise
■ Trainer Frank Pagelsdorf verpasst dem Hamburger SV vor dem morgigen Match gegen den VfL Wolfsburg einen neuen Kapitän
Mitten im Abstiegskampf haben sich die Profis des Hamburger SV eigenhändig einen Maulkorb umgehängt, während Trainer Frank Pagelsdorf alle Register zieht. Vor dem morgigen Spiel (15.30 Uhr) gegen den VfL Wolfsburg nahm er Martin Groth und Hans-Jörg Butt die Kapitänsbinde weg und ernannte Nico-Jan Hoogma und Niko Kovac zu neuen Spielführern. Groth sei dauerverletzt, Butt habe als Torwart „nicht die Möglichkeit die Dinge auf dem Feld so anzugehen, wie es notwendig ist“, begründete der Trainer seine Personalpolitik.
„Es kann nicht sein, dass ausgerechnet jetzt einige Leute über die Medien ihre persönliche Unzufriedenheit äußern. Jeder sollte sich an die eigene Nase fassen und sich auf die Leistung konzentrieren“, forderte Butt. „Wir müssen den Mund halten und kämpfen wie die Löwen“, der neue Kapitän Hoogma. Einsicht zeigte vor der Beförderung zum Stellvertreter Kovac, nach der Pleite gegen Dortmund noch als Chefkritiker von Trainer Frank Pagelsdorf geoutet: „Ich will jetzt erst nach dem Duschen Interviews geben, damit man mich nicht missversteht.“
Einen härteren Prüfstein als Wolfsburg kann es für die Hamburger im Moment kaum geben: Gegen keinen Gegner schoss der VfL so viele Tore wie gegen den HSV. In sieben Spielen hat der HSV fünf Mal Unentschieden gespielt und zwei Mal verloren. „Diese Serie ist dazu da, gebrochen zu werden“, verbreitet Pagelsdorf Optimismus. Trotz der geringen Spielpraxis vertraut der Coach auf Rodolfo Esteban Cardoso, der nach seiner Rot-Sperre wieder dabei sein wird: „Er hat eine große Akzeptanz innerhalb der Mannschaft, und er kann ein Spiel lenken.“ Das wird auch bitter nötig sein, um nicht endgültig in den Abstiegsstrudel zu geraten.
Erstmals macht das Gespenst Zweite Liga in dieser Saison ernsthaft die Runde. Kritik am Trainer und seinem Spielsystem kommt plötzlich von allen Seiten. Cardoso nimmt Pagelsdorf in Schutz: „Wenn es nicht läuft, sitzen plötzlich 40 Trainer auf der Tribüne und wissen alles besser. Die Mannschaft steht hinter dem Trainer.“ Und auch Pagelsdorf nimmt die Kritik – zumindest äußerlich – gelassen: „Das ist normal, damit muss man als Trainer rechnen. Mich interessiert das alles nicht.“
Damit er sich nicht doch mit der Kritik näher auseinandersetzen muss, ist ein Sieg gegen die „Wölfe“ Pflicht. „Wenn wir schon auswärts nichts zu Stande kriegen, müssen wir wenigstens zu Hause punkten“, verlangt Kovac. Die Anspannung in der Mannschaft sei zwar groß, doch „wir sind alle bemüht, gute Stimmung zu verbreiten“. Dagmar Garbe
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