piwik no script img

Auch Samen machen verantwortlich

BGH: Mann ist unterhaltspflichtig, obwohl er zum Zeitpunkt der Befruchtung nicht mehr Vater werden wollte

KARLSRUHE taz ■ Neue Technik, neue Tücken. Männer müssen für ein durch künstliche Befruchtung entstandenes Kind auch dann vollen Unterhalt zahlen, wenn sie zum Zeitpunkt der Implantation gar keine Lust mehr hatten, Vater zu werden.

Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Im vorliegenden Fall hatte sich ein Paar, das auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen konnte, zu einer so genannten In-Vitro-Fertilisation entschlossen. Dabei werden Eizellen der Frau „im Reagenzglas“ mit dem Sperma des Ehemannes befruchtet und später in die Gebärmutter der Frau implantiert. Als drei Implantationsversuche gescheitert waren, fuhr der Mann in den Urlaub und kam mit einer neuen Freundin zurück. An weiteren Versuchen hatte er nun kein Interesse mehr. Dennoch ging seine Frau noch ein letztes Mal zur Klinik und wurde prompt schwanger. Das Paar trennte sich jedoch noch vor der Geburt, und der Mann heiratete seine Urlaubsbekanntschaft. Für das von ihm nicht mehr gewünschte Kind wollte er keinen Unterhalt zahlen, weil die Frau die Unterhaltspflicht „mutwillig“ herbeigeführt habe. Die Frau hielt ihm jedoch entgegen, dass er von dem entscheidenden Arztbesuch wusste und er weder sie noch den Arzt von einem letzten Versuch abzuhalten versucht hatte. Für den BGH spielte es nun aber keine Rolle, wie deutlich der Vater seinen Willen geäußert hat. Wenn eine Frau ihren Kinderwunsch verwirkliche, sei das weder sinnlos noch verantwortungs- oder rücksichtslos. Eine „mutwillige“ Herbeiführung der Unterhaltspflicht liege deshalb nicht vor.

Zugleich wird jedoch auch das „Selbstbestimmungsrecht“ des Mannes betont. Er sei durch die ursprüngliche Bereitschaft, an der künstlichen Befruchtung mitzuwirken, nicht dauerhaft gebunden. Vielmehr könne er sich „jederzeit erneut und frei für oder gegen ein Kind entscheiden“. Wie der Mann seinen Willen gegenüber der Frau durchsetzen kann, ließ der BGH jedoch offen. Wenn er sicher gehen will, muss er wohl sein Einverständnis gegenüber dem Arzt widerrufen, der die künstliche Befruchtung durchführt.

CHRISTIAN RATH

kommentar SEITE 11

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen