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Mit Biogas kann man auch Süppchen kochen

Landwirte drängen zunehmend darauf, ihr Biogas ins Erdgasnetz einzuspeisen. Die Energieausbeute kann gesteigert werden, wenn das Gas dort verfeuert wird, wo man die gesamte Wärme nutzen kann. In der Schweiz läuft bereits seit drei Jahren eine Anlage, die Gas in das Netz einspeist

Erst die exorbitant steigendenEnergiepreise haben in Deutschlanddas Interesse an der Einspeisungvon Biogas in das Erdgasnetz belebt

Die Idee klang selbst für Energieexperten verwegen: Man könne doch das Methangas, das in Biogasanlagen entsteht, einfach ins Erdgasnetz einspeisen, statt es vor Ort zu verstromen. Denn damit wäre eine noch effizientere Nutzung des wertvollen Gases möglich.

Als Wolfgang Tentscher vom Fachverband Biogas im vergangenen Jahr dieses Thema mehrfach auf Kongressen präsentierte, machte stets die gleiche Frage die Runde: „Warum eigentlich nicht?“ Denn sinnvoll kann die neue Variante tatsächlich vielerorts sein – immer dort, wo die Landwirte die anfallende Wärme nicht komplett nutzen können.

Bislang sieht das Prinzip Biogasanlage folgendermaßen aus: Die Ausscheidungen der Tiere auf Bauernhöfen werden aus dem Stall in einen Gärtank gepumpt, wo Bakterien wertvolles Biogas daraus gewinnen. Dieses wird verfeuert in einem kleinen Gaskraftwerk, das schließlich den Strom ins Netz einspeist. Gleichzeitig fällt aber auch viel Wärme an – und die kann der Landwirt in der Regel nur teilweise nutzen; wertvolle Energie entweicht. Hoch effizient und damit ökologisch sinnvoll ist die Biogasanlage zwar dennoch, aber die Energieausbeute kann noch gesteigert werden, wenn das Gas in die Pipeline fließt – und letztlich dort verfeuert wird, wo man die gesamte Wärme nutzen kann.

Bislang ist ein solches Projekt noch Vision. Zwar heißt es bei den Gasversorgern, das Einspeisen von Biogas sei „im Prinzip möglich“. Doch faktisch ist vieles ungeklärt. Anders als bei Ökostrom, den die Konzerne abnehmen müssen, können die Gasversorger die Annahme von Biogas verweigern. Anders als für Biogasstrom, den die Versorger mit 20 Pfennig je Kilowattstunde honorieren müssen, gibt es für Gas privater Erzeuger bislang noch keine geregelten Vergütungssätze. Und schließlich steht auch die Frage nach der erforderlichen Gasqualität im Raum: Welchen Aufwand müsste ein Landwirt betreiben, um das Biogas netzkompatibel zu machen?

Der Regelungsbedarf ist offensichtlich. „Wir brauchen endlich ein Gaseinspeisegesetz“, sagt daher Wolfgang Tentscher. Denn ohne gesetzlichen Rahmen lasse sich kein Landwirt auf die aussichtslosen Verhandlungen mit den Gaskonzernen ein. Die Fakten hat Tentscher auf seiner Seite: Beim Einspeisen des Gases sei „die Energieausbeute um 40 Prozent höher“. Denn in der Gastherme oder im Küchenherd liefere das Gas erheblich mehr Nutzenergie als bei der lokalen Verstromung. Mit den Vokabeln der Moderne heißt das: „Biogas goes online.“

Der Verbraucher wird es nicht merken, wenn Biogas seine Suppe köcheln lässt – der heimische Gasherd wird mitnichten nach Schweinestall riechen. Denn das Rohgas, das mit zumeist rund 65 Prozent Methangehalt aus dem Gärreaktor kommt, kann zu Erdgasqualität aufbereitet werden. Höchste Aufmerksamkeit gilt dabei Feuchte und Schwefelwasserstoff: Beides muss unerbittlich raus. Kohlendioxid hingegen, zu einem Drittel im Biogas enthalten, kann man zumindest teilweise dulden, weil es unschädlich ist.

Wie auch immer die Anforderungen künftig aussehen werden – die inzwischen technisch professionalisierte Biogasbranche versichert, sie erfüllen zu können: „Die Anlagen dafür haben wir“, sagt Ulrich Schmack, Geschäftsführer der Schmack Biogas GmbH im bayerischen Burglengenfeld. Aus wirtschaftlichen Gründen sei die Gasaufbereitung aber allein für größere Projekte interessant. Der Unternehmer denkt dabei an Anlagen jener Art, wie seine Firma im vergangenen Frühjahr eine im bayerischen Ettling errichtet hat. Diese kann 700 Haushalte mit Gas versorgen: „Eine ideale Größe für ein Pilotprojekt.“

Ein solches in der Landwirtschaft wäre unbestritten sinnvoll, nachdem man Vergleichbares mit Klärgas schon vor Jahren getestet hat. Von 1985 bis 1997 wurde in Stuttgart-Mühlhausen Klärgas ins Erdgasnetz eingespeist: ein von der Europäischen Union gefördertes Demonstrationsvorhaben. Der Projektbericht stimmt optimistisch: Das Verfahren, heißt es dort, sei „jetzt reif für weitere Anwendungen in der Gemeinschaft“.

Doch billiges Öl und Gas vereitelten den Einsatz der Technik hierzulande. Die Schweiz als das Kreativland in Sachen Bioenergie schritt unterdessen meilenweit voran. So läuft in Samstagern im Kanton Zürich bereits seit 1997 eine kommerzielle Anlage, die Grünabfälle aus der Biotonne vergärt. Sie reinigt das entstehende Gas, bis es sich vom Erdgas chemisch nicht mehr unterscheidet, und speist es dann ins Verteilnetz der Gasversorgung Zürich ein.

Erst steigende Energiepreise haben auch in Deutschland das Interesse an der Biogaseinspeisung belebt. Einige Anfragen diesbezüglich habe er in jüngster Zeit erhalten, sagt Uwe Klaas von der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches. Im Moment sei das „für Landwirtschaftsverbände und Ingenieurbüros offensichtlich ein großes Thema“. Kein Wunder: Experte Tentscher rechnet vor, dass man bis in 20 Jahren in Deutschland Biogasanlagen mit insgesamt 10 Gigawatt aufbauen könne.

So hat auch die Bundesregierung sich des Themas bereits angenommen: Bei der anstehenden Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EWG) werde die künftige Einspeisung von Biogas in Erdgasnetze bereits berücksichtigt, versichert die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt. Man halte sich dann die Option offen, alles Weitere in einem Gaseinspeisegesetz zu regeln. Unterstützung kommt auch von Eurosolar-Präsident und MdB Hermann Scheer (SPD): Nachdem das EEG „weltweit beispielhafte Erfolge“ zeige, stoße auch ein Gaseinspeisegesetz bei den Regierungsfraktionen auf „große Sympathie“.

BERNWARD JANZING

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