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: Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei den Spitzenteams immer weiter auseinander

Eingebaute Nietengarantie mit Seuchengefahr

Das Wetter über Berlin war milde gestimmt und tat sein Bestes. Es begann dicke Flocken zu schneien und hörte nicht eher auf, bis die Partie Hertha BSC gegen die Spielvereinigung Unterhaching abgesagt wurde. So wurde der Samstag ein unbeschwert schöner Tag. Die Stadt war weiß bestäubt, die Sonne lachte lustig herab, und kein belangloses Fußballspiel bettelte aus der Ferne der unwirtlichen Baustelle Olympiastadion um Aufmerksamkeit.

Besser wäre allerdings gewesen, es wären noch mehr Spiele ausgefallen. Vermutlich wäre das Wochenende für viele Menschen dann ein schöneres gewesen. Nicht einmal, weil alle Spiele so ganz und gar langweilig waren. Nein, es war schlimmer, es war der zweite Spieltag in Folge, an dem sich alles, was in dieser Liga Spitzenteam genannt wird, mit Händen und Füßen wehrte, Anspruch und Wirklichkeit wenigstens einander anzunähern.

Das notorische Leverkusen ist längst langweilig lächerlich mit der Zuverlässigkeit seiner Niederlagen in wegweisenden Spielen. Einst Unterhaching, jetzt gar Rostock und Cottbus – so was schafft nur Bayer. Der Manager war nicht eben ein Quell erhellender Mitteilungen, als er nach dem 1:3 gegen das bis dahin auswärts sieglose Cottbus den „Charakter“ der Leverkusener Spieler in Frage stellt. Was auch immer Charakter sein mag in der Weltsicht des Reiner Calmund: Er selbst hat all die Charakterlosen so zielsicher zusammengekauft.

Wirklich enervierend an Leverkusens eingebauter Nietengarantie ist nur, dass sie Züge einer Seuche trägt, denn sie greift schleichend auf den Rest der Bagage über. Schalke verschenkt die Punkte immer widerstandsloser, seit es reihenweise Ausfälle in der erstaunlichen Stammelf der Hinrunde gibt. Und Bayern München bürgt inzwischen mit seinem guten Namen für peinliche Niederlagen in Serie. Die Münchner verlieren in der Regel dann, wenn sie gerade Champions League gespielt haben. So gesehen ist das Remis gegen Köln ein riesiger Fortschritt. Immerhin ein Punktgewinn, und der reicht dieser Tage locker, die Tabellenführung zu verteidigen. Kurz gesagt: Die einen sind zu blöd, die anderen zu wenige und die dritten zu überlastet, um meisterlich zu sein.

Eine bessere Chance, ohne viel eigenes Zutun Meister zu werden, hat Borussia Dortmund nie gehabt. Genügen könnten, glaubt Bayerns Kapitän Stefan Effenberg, am Ende für den Titel womöglich ganze 60 Punkte. Das ist so wahr wie beklagenswert. Und daher ist vor allem zu beseufzen, dass man zwar Spiele wegen zu viel Schnee absagen, nicht aber Meistertitel wegen zu wenig Niveau einfach nicht vergeben kann. KATRIN WEBER-KLÜVER