: Lieber ein Spaziergang am Strand
Naturschutzgebiete gesperrt, Pferderennen abgesagt, Manöver verboten: Alltag der Briten ändert sich
BERLIN taz ■ Heddon-on-the-Wall war bekannt für seine Stille. Im Internet pries sich das Dorf im Norden Englands als „Platz für den Ruhestand“. Doch seit vergangenem Dienstag gibt es Warnschilder im Ort. Auf ihnen steht „Foot-and-Mouth Disease – Please keep out“ und sie hängen am abgeriegelten Anwesen von Bauer Bobby Waugh.
Die britische Regierung geht davon aus, dass hier die Quelle der Maul- und Klauenseuche liegt. Möglicherweise lieferte Waugh seine Tiere an einen vierhundert Kilometer entfernten Schlachthof in der Grafschaft Essex. Dort wurde vorigen Montag der erste Fall entdeckt.
Der heruntergekommene Hof in Heddon-on-the-Wall geriet schon mindestens fünf Mal ins Visier der Tierärzte. Zuletzt kontrolliert wurde Waugh am 25. Januar. Kranke Tiere sind nicht gefunden worden. Möglicherweise hat der 55-jährige Bauer danach aber den meldepflichtigen Ausbruch der Seuche ignoriert. Die Krankheit könne schon vor vier Wochen ausgebrochen sein, sagt der britische Chefveterinär Jim Scudamore. „Das ist viel schlimmer, als wir vorige Woche angenommen hatten“, erklärte er der Zeitung The Guardian. Gestern wurden auf dem Hof hunderte Schweinekadaver verbrannt.
Am Samstag waren schon fünf Bauernhöfe und ein Schlachthaus mit verseuchten Viehbeständen bekannt. Die Regierung hoffte noch, die Krankheit eindämmen zu können. Aber gestern musste Agrarminister Nick Brown bestätigen, dass im Viehbestand von zwei weiteren Bauernhöfen die hochansteckende Viruskrankheit festgestellt worden ist. Ein Hof befindet sich in der Nachbarschaft von Bauer Waugh, der andere im Süden, in der Grafschaft Devon. Es könne davon ausgegangen werden, dass von diesem Hof Schafe ins europäische Ausland exportiert wurden, sagte Minister Brown. Außerdem gebe es einen neunten Verdachtsfall.
Die britische Regierung hat am Samstag Viehtransporte im ganzen Land für eine Woche verboten. Supermärkte fürchteten Panikkäufe und orderten zusätzliches Frischfleisch aus Irland, Dänemark und den Niederlanden. Das britische Transportverbot erstreckt sich auf Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen. Wer dagegen verstößt, zahlt umgerechnet 15.000 Mark Strafe.
Die Seuche verändert den Alltag der Briten: Über 600 Bauernhöfe werden kontrolliert, Landschaftsparks mit Viehbestand sind geschlossen, Naturreservate sollen gemieden werden, ein berühmtes Pferderennen am heutigen Montag in Newcastle ist abgesagt, Zoos sind geschlossen und Jagden vorübergehend verboten worden. Die Soldaten der Royal Army dürfen nicht mehr durch Wald und Wiesen robben. Der Wanderclub riet, sich nicht auf dem Land aufzuhalten: „Machen Sie mit Ihrem Hund einen Spaziergang am Strand“, empfahl ein Sprecher.
Die EU hat ein Exportverbot für Vieh, Fleisch und Milch verhängt. Die britische Bauernvereinigung erklärte, dies werde die Bauern rund 160 Millionen Mark kosten.
Wie das Virus ins Land gekommen ist, bleibt weiter unklar. Bauernverbandspräsident Ben Gill machte die „Liberalisierung des Welthandels“ und die damit verbundenen Tier- und Fleischimporte nach Großbritannien für den Ausbruch der jetzigen Seuche wie auch der Schweinepest im vergangenen Jahr verantwortlich.
S. FISCHER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen