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Castoren in der Kartoffelscheune

■ Eine Gemeinde in der Wesermarsch versucht sich mit baurechtlichen Mitteln gegen das geplante Atom-Zwischenlager zu wehren – und wurde von der Bezirksregierung abgewatscht

Die Gegner des geplanten Zwischenlagers am Atomkraftwerk Esenshamm haben einen Rückschlag erlitten: Gestern hat die Bezirksregierung Weser-Ems die Beschlüsse der Gemeinde Stadland (Wesermarsch) gegen einen Ausbau des Kraftwerks für rechtswidrig erklärt – ein politischer Willkürakt, wie Kritiker meinen. Gleichzeitig schickte Greenpeace eine Castor-Attrappe auf Tournee durch Bremerhaven, Oldenburg und Bremen, um auf Gefahren durch ein atomares Zwischenlager aufmerksam zu machen.

Die Umweltorganisation befürchtet unter anderem, dass es die Dimension der geplanten Halle mit Platz für 80 Castorbehälter ermöglichen würde, das Atomkraftwerk noch weitere 30 Jahre zu betreiben. Nach dem „Atomkonsens“ ist das AKW Esenshamm im Minimalfall „nur“ bis 2012 in Betrieb. Ein Zwischenlager wäre noch weit länger aktiv – die „Lebensdauer“ je Castoren beträgt bis zu 40 Jahren.

Die Gemeinde Stadland hatte Anfang des Monats versucht, für die Zeit nach 2012 eine nicht-nukleare Nutzung des Geländes festzuschreiben. Dafür sollte ein Bebauungsplan samt Veränderungs-sperre aufgestellt werden; außerdem plädierten die Lokalpolitiker für eine entsprechende Änderung des – veralteten – Flächennutzungsplans (die taz berichtete).

Doch die denkwürdige Entscheidung wurde von der Bezirksregierung abgeschmettert: Es gebe keine städtebaulichen Gründe dafür, da der Bereich des Kernkraftwerkes – nach zehn Jahren „Rückbau“ – frühestens ab 2022 für „Folgenutzungen“ vorgesehen sei. Eine Planung über derartige Zeiträume sei jedoch erst dann sinnvoll, wenn die „näheren Umstände“ der Betriebsaufgabe bekannt seien, meint die Bezirksregierung. Diese berät den Landkreis Wesermarsch, bei dem der Bauantrag des Energieriesen E.ON eingegangen ist. Verweigert die Gemeinde Stadland ihr Einvernehmen, entscheidet der Kreis.

Vor allem folgender Teil der Begründung lässt manche Kritiker aufstöhnen: Die Ratsbeschlüsse würden zwar keinen direkten Bezug auf den Bau des geplanten Zwischenlagers nehmen, so die Sprecherin der Bezirksregierung, Herma Heyken, „wir gehen jedoch davon aus, dass mit diesen Beschlüssen das Projekt verhindert werden soll“. Dies sei jedoch „unzulässig“. Damit bezieht sie die gleiche Position wie der E.ON-Konzern, der die Planungen ohnehin als „nicht in ers-ter Linie als gemeindliches Thema“ betrachtet, sondern als „nationale Fragestellung“, wie Sprecherin Petra Uhlmann formuliert.

Morgen wird sich der Gemeinderat Stadland mit dem Bauantrag beschäftigen. „Dann kommt es darauf an gegenzuhalten“, sagt Hans-Otto Meyer-Ott, Sprecher der Ini-tiative „Aktion Z“. Er hält die Ratsbeschlüsse in Sachen Zwischenlager für rechtlich wasserdicht. In der Haltung der Bezirksregierung erkennt Meyer-Ott nichts anderes als „politische Vorgaben“ der Landesregierung.

Sofern die Stadländer nicht einknicken, zeichnet sich ein Rechtsstreit ab. Zugleich jedoch sammeln Aktion Z und Greenpeace schriftliche Einwendungen gegen das geplante Zwischenlager – die einzige Möglichkeit für BürgerInnen, noch bis April ihre Befürchtungen in das atomrechtliche Verfahren einzubringen. Die Initiative will an einem einzigen Tag bereits tausend entsprechender Unterschriften gesammelt haben. Die zentralen Kritikpunkte: Die – nicht langzeiterprobten – Castor-V/19-Behälter würden die einzige Sicherheitsbarriere im Zwischenlager darstellen. Die geplante Halle biete weder bei Normalbetrieb noch bei möglichen Katastrophen ausreichenden Schutz für die Bevölkerung. Oder, wie Landwirt und Aktion-Z-Mitglied Hinrich Brader formuliert: „Die Castoren stehen praktisch in einer Kartoffelscheune.“

E.ON indes verweist darauf, dass es sich bei den Planungen um alles andere als ein „Experiment“ handele: Eine ähnliche Halle exis-tiere bereits, so Sprecherin Uhlmann. In Gorleben. hase

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