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Der Pate von Peking

Aufgrund der Machenschaften seiner Kinder gerät Li Peng in den Sog von Korruptionsermittlungen. Sein Sturz würde Chinas KP für immer verändern

aus Peking GEORG BLUME

Seit dem Tod Deng Xiaopings vor vier Jahren waren die Rollen im Pekinger Politbüro klar verteilt: Der eher blasse Parteichef Jiang Zemin ist zuständig fürs Große und Ganze, seine Nummer zwei, der Hardliner Li Peng, sorgt dafür, dass die Kommunistische Partei weiterhin zu Recht ihren Namen trägt, und Premierminister Zhu Rongji, der einzige Wirtschaftsfachmann im höchsten Parteigremium, kümmert sich um Wirtschaftsreformen und das tägliche Regierungsgeschäft. Unter dem noch von Deng eingesetzten Triumvirat Jiang/Li/Zhu ist die KP Chinas sicher ins 21. Jahrhundert gekommen. Doch im Vorfeld der am Montag beginnenden Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses, dem 2.800-köpfigen Funktionärsparlament der Kommunisten, zeichnen sich erstmals Bruchlinien im bisher geräuschlos regierenden Politbüro ab.

Einsicht in die lange Zeit undurchschaubaren Machtverhältnisse erlaubt ein sensationeller Korruptionsverdacht: Ausgerechnet die Kinder des als unbestechlich geltenden Volkskongress-Vorsitzenden Li Peng sind ins Zwielicht amtlicher Ermittlungen geraten. Und dafür verantwortlich ist kein Geringerer als Premier Zhu. Chinesischen und westlichen Quellen zufolge, die der taz zugänglich waren, hat eine von Zhu persönlich eingesetzte Kontrollkommission in den letzten Monaten gegen das von Li Xiaopeng, einem Sohn Li Pengs, geleitete Elektrizitätsversorgungsunternehmen China Huaneng Group ermittelt. Dabei stießen die Ermittler auf bedeutende Unregelmäßigkeiten. So wurde Lis engster Mitarbeiter Zha Keming von den Behörden unter Hausarrest gesetzt. Ebenso gingen die Ermittler gegen die von Li Pengs Tocher Li Xiaolin geführte Elektrizitätsinvestmentfirma China Power Instruments vor. Ihre Firma steht im Verdacht, Bestechungsgelder für die Auftragsvermittlung an westliche Firmen kassiert zu haben.

Für Kenner der chinesischen Elektrizitätsbranche kommen die Enthüllungen keineswegs überraschend. In Großprojekten spielen Bestechungsgelder eine große Rolle. Doch jetzt scheint das Politbüro eine neue Gangart einzuschlagen. Dort hatte der im Westen hoch geachtete Wirtschaftsreformer Zhu bislang jede offene Kontroverse mit seinesgleichen vermieden. Seine Stellung innerhalb der Partei gilt als schwach. Doch hat Zhu neuerdings seine Taktik verändert: Wohl wissend, dass er in zwei Jahren aus allen Funktionen zurücktritt und bis dahin nicht mehr verdrängt werden kann, zielt er mit scharfer Munition auf seine Gegner. Sein Mittel sind Anti-Korruptions-Ermittlungen. Dass er sie zunächst im Energiesektor durchführt, zielt direkt auf Li Peng: Denn die Branche zählt seit Lis Jahren als Energierminister zu dessen Einflussbereich.

Zhus Offensive, die beim anstehenden Volkskongress allenfalls hinter den Kulissen diskutiert werden wird, eröffnet gleichwohl neue Perspektiven für den nächsten Parteitag der KP im Herbst 2002, auf dem die neue Führungsspitze bestimmt wird – und schon jetzt erscheint der konservative Parteiflügel durch Li Peng deutlich geschwächt in die Nachfolgedebatte zu gehen.

Dabei geht es um das politische Überleben von Chinas letztem großen Stalinisten. Li, den seine Gegner den „Schlächter von Tiananmen“ nennen, gilt als ungemein durchsetzungsfähig. Niemand verkörpert die Parteilinie so kompromisslos wie Peng. Gerade deshalb aber wäre die KP ohne ihn eine andere. Ökonomisch geschulte Nachfolger für Zhu Rongji hat die Partei heute zuhauf. Doch überzeugte Ideologen fehlen ihr weit und breit.

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