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Schluss mit dem Dienst an der Frau

■ Die Bremer Frauenkneipe Thealit zieht Ende Mai einen Schlussstrich unter acht Jahre Lokal. Trotzdem sagt Wirtin Anna Postmeyer: „Ich bereue keinen Tag“

Eine Epoche geht zu Ende. 31 Tage ist die Küche im Frauenlokal Thealit noch geöffnet. Dann machen die Wirtin, Köchin und Gastgeberin Anna Postmeyer und ihr Team Ende Mai Schluss – mit einer Sache, die sich finanziell nicht rechnet. Nie gerechnet hat. Und wohl nie rechnen würde: mit ihrer exquisiten Küche exklusiv für Frauen. „Mit dem Dienst an der Frau“, wie sie selbst die vergangenen acht Jahre bespöttelt. Schluss also mit „Rote Beete-Ziegenkäse-Quiche in Buchweizenteig“ für 13 Mark 50 oder mit „Seeteufel an Zitronenschaum-Sauce, Kartoffelgratin, Bunter Blattsalat“ für 20 Mark 50, seit einem Jahr an Montagen als „queer monday“ auch für Männer bekömmlich. Weswegen manche Frauen schon länger das Ende von Thealit beschworen haben.

„Erst kommen die Männer. Dann kommt das Aus.“ Diese finstere Prognose geisterte seit der erweiterten Öffnung durch die Frauenszene – statt dass es Zuspruch für einen zusätzlichen Kneipentag gegeben hätte. Mit Annas Abschied aber hat das nichts zu tun. „Die These stimmt auch nicht. Heute kommen nicht weniger Frauen zu uns als 1985“, sagt Anna Postmeyer. 45 Jahre. Gelernte Erzieherin. Anerkannte Kochkünstlerin. Bekennende Feministin.

Als solche hat sie einst gemeinsam mit Andrea Sick das ehemalige „Frauenkulturhaus“ zum Frauenort für Kochen und Kunst oder Kunst mit Geschmack umgebaut – das Lokal, das neben dem gemütlichen Kneipenabend beim Hauswein auch künstlerische Kombinationen anbot. Künstlerisch-Gruseliges wie den als „Blutessen“ erinnerten Themenabend Vampire. Oder künstlerisch-Kurioses wie das schräge Weihnachtsessen „PC Loce“ mit Performance. Vieles andere gewagt hat.

Das ist bald vorbei. Wie der „Balanceakt zwischen Anonymität und Intimität“, den die Gäste des Lokals immer wieder vollbrachten, wenn sie kamen. „Wir sind eben kein Straßencafé, wo frau einfach mal hingeht“, sagt sie. Die Holztreppe nach oben „ins Café“ zu steigen, unterm kitschigen Kronleuchter durch, vorbei am Regal mit den Flugblättern sämtlicher Frauenprojekte Deutschlands, „das war jedes Mal eine Entscheidung“. Schließlich traf drinnen im Café-Raum mit dem orange-roten Flair eines Zugrestaurants der vorletzten Jahrhundertwende fast jede fast immer ein bekanntes Gesicht. Manchmal eine Freundin. Manchmal eine Feindin, bisweilen eine Ex. Ein Grund zum Kommen – oder zum Wegbleiben.

„Wir sind wie ein elterlicher Dachboden, wo man immer mal wieder hingeht, um in Erinnerungen zu kramen“, sagt Wirtin Anna Postmeyer. Aber immer mal wieder – das war für das Frauenrestaurant in der Seitenstraße Im Krummen Arm im Viertel nicht genug zum Überleben, obwohl der Kreis der potenziellen Kundschaft groß ist. Ach, was – der Kreis. „Es ist kein Kreis wie vielleicht noch in den 80er Jahren“, sagt die Wirtin Postmeyer ohne Nostalgie. „Ich bereue keinen Tag.“

Ein bisschen Wehmut schwingt dennoch mit – auch weil Bremen jetzt keine Frauenkneipe mehr hat, zumal auch der kleine Sub Confession in der Humboldtstraße dicht ist. „Ich wünschte mir, dass es bald etwas Neues gäbe“, sagt Anna Postmeyer. Für ihren eigenen Neuanfang – als Unternehmerin – hat sie schon gesorgt.

Ihr Thealit-Buffetservice, der jahrelang die Kneipe im ersten Stock subventioniert hat, zieht jetzt als Firma ins Erdgeschoss. Von dort aus werden – wie schon seit dem Beginn dieser Unternehmensidee vor einigen Jahren – nun vermehrt die kalten Platten und gekochten Delikatessen zur Kundschaft gefahren. Zu Kongressen, Familienfeiern und Ausstellungseröffnun-gen. Finanziell solide kalkuliert, wie eine handwerkliche Leistung. Derweil werden die Kunst- und Kulturarbeiterinnen um Andrea Sick nach oben wechseln, wo unter dem neuen Label Frauen.Kultur.Labor auch weiter Veranstaltungen wie „Techniques of cyberfeminism.the mode is the message“ stattfinden. Manchmal auch mit Essen. Wenn Anna Postmeyer noch die Zeit bleibt.

burro

Am Samstag, den 2. Juni, veranstaltet Thealit für die Freundinnen des Lokals ein rauschendes Abschiedsfest.

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