: Physik und Chemie auf der Kippe
■ Schulbehörde an alle Oberstufen: Leistungskurse unter 18 Teilnehmern sollen gestrichen werden
Bis Mitte Februar dieses Jahres durften die Schülerinnen der 10. Klassen in Bremen, die in die Oberstufe gehen und Abitur machen wollten, sich entscheiden, auf welche Schule sie gehen und welche Fächer sie als „Leistungskurse" anwählen wollen. Am 27. Februar verschickte die Schulbehörde dann Briefe an alle Schulen mit gymnasialer Oberstufe, in denen es heißt: „Es dürfen nur Kurse angewählt werden mit einer Mindestfrequenz von 18." Das bedeutet: Fächer wie Physik, Chemie, Französisch oder Kunst wird es kaum noch als Leistungsfach geben an Bremens Schulen. Für Deutsch, Englisch und Mathematik und Biologie entscheiden sich an den meisten Oberstufen zwischen 30 und 60 der SchülerInnen, aber für Französisch sind es mal fünf, mal 12, fast nirgends die geforderte Mindestzahl 18. Genauso sieht es bei den Naturwissenschaften Physik und Chemie aus und bei den musischen Fächern Kunst und Musik.
Bisher haben Schulen versucht, dann auch Leistungskurse mit 12 oder 14 Schülern einzurichten, das soll nur noch in Ausnahmefällen mit besonderer Zustimmung des zuständigen „Regionalteams" der Behörde möglich sein. Was mit den Schülern, deren Wahl vergebens war, dann passieren soll, stand in dem Behördenschreiben an die Schulleiter auch: „Müssen Schüler abgewiesen werden, darf dies nicht auf dem Schriftwege erfolgen." Offenbar befürchtet die Behörde, dass die einen oder andern Eltern auf dem Rechtswege dagegen vorgehen könnten, dass die Spielregeln im Nachhinein verändert worden sind. Nur mündlich und „einzeln oder in kleinen Gruppen" sollte den Schülern klargemacht werden, entweder eine andere Schule zu wählen oder ein anderes Leistungsfach.
"I am not amused", sagt der Schulleiter des Kippenberg-Gymnasiums, Günter Gerlach. Selbst am Kippenberg gäbe es nach dieser Vorgabe keine Leistungsfächer in Französisch, Geographie, Musik, Chemie. In Physik hätte es in den letzten Jahren genauso ausgesehen, überraschenderweise haben sich in diesem Jahr sogar 26 SchülerInnen dafür angemeldet. Aber an den meisten Schulen Bremens gäbe es nach der Vorgabe auch keinen Leistungskurs Physik. Am Gymnasium Obervieland, zum Beispiel, ist gerade mit viel Energie eine Kooperation mit dem Uni-Studiengang Produktionstechnik aufgebaut wurde. Der Studiengang sucht händeringend interessierte Studierende, daher will er die Schüler aus dem Leistungskurs zum Schnupper-Praktikum einladen. „Wir wollen die Schüler dadurch motivieren, solche Fächer dann auch zu studieren", unterstreicht Schulleiter Hartmut Böhme. Mit einer Vorgabe „mindestens 18" kann er die Kooperation für beendet erklären.
An der Kurt-Schumacher-Allee (KSA), zum Beispiel, gibt es im derzeitigen 11. Jahrgang einen Leistungskurs Physik mit 12 Schülern, Chemie mit 10 SchülerInnen, Französisch mit ebenfalls 10 SchülerInnen. Diese Kurse dürfte es nach der neuen Richtlinie nicht geben. „Die Schulen sollen ja Autonomie haben, und dann kommen solche Vorgaben, die überhaupt nicht einzuhalten sind", bedauert der Oberstufenkoordinator vom Schulzentrum an der KSA.
Die Behörde hat daher den Brief gleich mit Anhang verschickt, in dem „Vorschläge" für die Leistungskurse mit geringerer Besetzung als der „18“ stehen. An diversen Schulen sind danach Leistungskurse mit 12 oder 14 SchülerInnen dennoch vorgesehen. „Ich halte die 18 für eine rechnerische Größe", sagt denn auch der Schulleiter der Hamburger Straße. Die Wirklichkeit würde doch anders aussehen als die Vorgabe der Behörde.
Oberschulrat Jürgen Bruns gibt aber noch keine Entwarnung: Die Liste, in der viele kleinere Kurse aufgeführt sind, enthalte „aller erste Überlegungen", auch die Wünsche der Schulen, aber „ein Teil der Vorschläge wird nicht zu realisieren sein".
Der Kippenberg-Schulleiter redet von „Daumenschrauben“ für die Schulen. Für derartige Eingriffe in die Autonomie der Schulen gebe es keine bildungspolitischen, sondern nur „Spargründe“, findet der Schulleiter der Hamburger Straße. Der Oberstufenkoordinator am KSA sagt zu der Mindestzahl 18: „Das einzuhalten ist nicht verantwortbar. Das muss jedem in der Behörde klar sein." K.W.
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