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Das Buddha-Massaker

Seit tausend Jahren sind die beiden größten Buddhas der Welt Angriffen ausgesetzt. Jetzt droht den monumentalen Statuen die endgültige Zerstörung

„Nur Allah der Allmächtige verdient es, angebetet zu werden. Niemand und nichts anderes.“

von JAN HELLER

Es ist, als ob Indien Bulldozer gegen das Taj Mahal schickte, Ägypten die Pyramiden bombardierte oder Italien den Dom von Florenz abrisse. Trotz aller Proteste haben die afghanischen Taliban nach eigenen Angaben begonnen, „alle Statuen und nicht islamischen Schreine, die sich in den verschiedenen Gebieten des Islamischen Emirats Afghanistan befinden“, zu zerstören. Darunter befinden sich die weltweit größten aufrechten Buddhastatuen im zentralafghanischen Bamiyantal.

Der Kulturminister der Taliban, Mullah Qudratullah Dschamal, erklärte am späten Donnerstagvormittag in Kabul, „fünf Stunden zuvor“ seien alle verfügbaren Kräfte ausgerückt, um in mehreren Städten Afghanistans eine entsprechende Fatwa der afghanischen Islamgelehrten (Ulema) auszuführen. Dschamal erwähnte neben Bamiyan und der Hauptstadt Kabul, in dessen Nationalmuseum bereits in der vergangenen Woche sechzig bis siebzig altgriechische, buddhistische und hinduistische Statuen zerstört worden sein sollen, Herat, Kandahar, Ghazni und Jalalabad. In Bamiyan seien bereits Panzer und Granatwerfer gegen die beiden Buddhas im Einsatz.

Die Fatwa war erst am Montag bekannt geworden. Talibanquellen zufolge habe Minister Dschamal, der als Hardliner in der radikal-islamistischen Talibanbewegung gilt, die Islamgelehrten um eine Entscheidung über die Idole gebeten, deren Anbetung als „unislamisch“ gilt, die bisher aber trotzdem auch vom „Islamischen Emirat“ der Taliban geschützt worden waren. Das Oberste Gericht habe jetzt so entschieden, das Talibanoberhaupt Mullah Muhammad Omar habe sie dann nur noch bestätigt. „Nur Allah der Allmächtige verdient es, angebetet zu werden, niemand und nichts anderes“, heißt es in der Fatwa zur Begründung. Mit der Zerstörung solle verhindert werden, dass die Statuen in Zukunft erneut „in Schreine“ verwandelt und angebetet werden könnten.

Zumindest eine geringe Hoffnung besteht für die Buddhas von Bamiyan aber noch. Gestern wurde in Pakistans Hauptstadt Islamabad bekannt, dass der dortige Botschafter der Taliban, Mullah Abdul Salam Zaif, gesagt habe, „seines Wissens“ habe die Zerstörung der Buddhas noch nicht begonnen. Er habe Jamals Erklärung dahin gehend interpretiert, dass erst die „Pläne“ zur Zerstörung ausgearbeitet worden seien.

Die Destruktionsfatwa der Taliban hatte weltweit eine Welle des Entsetzens und des Protests ausgelöst, die von UN-Generalsekretär Kofi Annan über die buddhistischen Länder bis selbst zu Pakistan, engster Verbündeter der Taliban, reicht. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer äußerte sich in einer offiziellen Stellungnahme „entsetzt“. Annan entsandte noch am Donnerstag seinen Afghanistanbeauftragten, den Spanier Francesc Vendrell, nach Kabul. Pakistanische Zeitungen zitierten gar einen hochrangigen Talib, der in Islamabad Kritik an dem Abriss geäußert haben soll. Noch viel interessanter aber ist, was er in einem Nebensatz andeutete: Eine „ausländische Hand“ sei bei dem Vandalenbeschluss im Spiel – eine Andeutung, die afghanischen Mullahs und ihr Anführer Mullah Omar könnten dem Einfluss arabischer Islamisten um Ussama Bin Laden erlegen sein, die das Rückgrat ihrer militärischen Kampftruppe bilden.

Vendrell erhielt dem Vernehmen nach von Außenminister Mullah Wakil Ahmad Mutawakkil jedoch keinerlei Zusage, die Kunstschätze zu schonen. Die Tatsache, dass Dschamal die Umsetzung ihrer Zerstörung genau zu der Zeit ankündigte, da Vendrell und Mutawakkil miteinander verhandelten, zeigt deutlich, dass sich die Taliban wenig um die Meinung der Weltöffentlichkeit scheren. Von ihnen wird auch immer wieder zur Begründung die Tatsache herangezogen, ihr Bemühen um normale Beziehungen zum Ausland seien der einzige Grund dafür gewesen, die nicht islamischen Statuen überhaupt noch zu erhalten. Mit den neuesten UN-Sanktionen, die seit Ende Januar in Kraft sind, sei dieser Grund aber nun entfallen.

Die beiden Buddhas von Bamiyan, aus den Sandsteinfelsen des canyonartigen Tales herausgehauen, sind mit 50 bzw. 34,5 Metern die höchsten aufrechten Statuen dieser Art weltweit. Die kleinere stammt aus dem zweiten oder dritten, die größere vermutlich aus dem vierten Jahrhundert. Die etwa 400 Meter voneinander entfernten Buddhas ordnen sich in ein größeres Gesamtkunstwerk ein. Die oben flache Felswand ist wie eine Bienenwabe von Dutzenden Höhlen durchlöchert, in denen in buddhistischer Zeit Mönche hausten. Damals existierte in dem Gebiet ein buddhistisches Reich. Bamiyan war eine Station an einem der wichtigsten Handelswege, in der sich bald auch buddhistische Mönche ansiedelten. Erster Schaden wurde den beiden Riesenbuddhas vor fast genau 1.000 Jahren unter dem muslimischen Eroberer Sultan Mahmud von Ghazni zugefügt, der entsprechend des islamischen Bilderverbots die Gesichter der beiden Statuen schleifen ließ.

Erst nach der sowjetischen Invasion Afghanistans von 1979 ging der Vandalismus weiter. Sowjetische Soldaten verewigten sich mit Inschriften auf den wertvollen Fresken in den buddhistischen Höhlen, Mudschaheddingruppen richteten weiteren, allerdings geringen Schaden an. Die Taliban begannen dann, ganze Arbeit zu leisten. 1998 feuerte ein Talibankommandant mit Mörsergranaten ein Loch in den Unterleib des kleineren Buddhas. Später sprengten örtliche Taliban Teile ihres Kopfes weg und schwärzten das Gesicht der größeren Statue mit brennenden Reifen.

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