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„Abschied von der Szene“

Das Ex, die linke Kneipe im Mehringhof, heißt jetzt „Muvuca global“. Der Treffpunkt der autonomen Szene soll im April als interkulturelles Café wiedereröffnet werden

Die Entscheidung war denkbar knapp, und der Riss zog sich quer durch Projekte und Kollektive im Mehringhof, dem alternativen Projektezentrum Westberlins. Nach mehrmaligem Vertagen ist die Zukunft des Ex, des traditionellen linken Szenetreffpunkts in Kreuzberg, entschieden. Am Ende heißt es 13:11 für einen Neustart der im Januar gescheiterten Kneipe – als interkulturelles Café. In einer schriftlichen Abstimmung votierten jetzt 13 Mehringhof-Projekte dafür, einer afro-brasilianischen Gruppe den Zuschlag zu geben; 11 Projekte entschieden sich für das Cafékollektiv, das die streng politische Tradition des Ex fortsetzen wollte.

„Wir verstehen uns nicht als multikulti, sondern als internationales Projekt“, sagte gestern eine Vertreterin der afro-brasilianischen Gruppe. In dem neuen Café sollen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft treffen und austauschen können. Dazu gibt es brasilianische Gerichte zu Preisen zwischen 8 und 15 Mark. Statt „Ex“ nennt sich die Kneipe jetzt „Muvuca global“ – das ist Brasilianisch und heißt „weltweite Zusammenarbeit“/„Vermischung“. „Ich kenne das Publikum vom Ex, die werden eher neugierig als abgeschreckt sein“, so eine der OrganisatorInnen.

Am 1. April soll es bereits losgehen – mit einem Kulturprogramm, das dieselbe Gruppe organisiert, die auch den Karneval der Kulturen auf die Beine stellt. Das Muvuca global will sich aber nicht auf kulturelle Events beschränken. Daten wie der 8. März oder der 1. Mai stünden nach wie vor auf dem Veranstaltungskalender, so die Organisatorin. Wenn jemand eine Veranstaltung über Neonazis in Ostdeutschland machen wolle, sei dies auch weiterhin möglich.

Die Konkurrenten sind enttäuscht. „Das ist ein Abschied von der Szene“, sagt ein Mitarbeiter des Cafékollektivs, das den Zuschlag knapp verfehlte. Das Muvuca sei ein „eher unpolitisches Multikultiprojekt, das mit der linksradikalen Geschichte des Ex wenig zu tun hat“. Selbst wenn es daran anknüpfen wollte, würde ihm der Zugang zur Szene fehlen.

Die Entscheidung gegen das Cafékollektiv, in dem Aktivisten aus der alten Ex-Gruppe mitarbeiten, kam allerdings nicht von ungefähr. Der Szenegruppe trauten offenbar im Mehringhof immer weniger Projekte zu, die Kneipe wirtschaftlich führen zu können. Immerhin war das kollektive Ex-Konzept der vergangenen Jahre gescheitert: Diverse Gruppen hatten einzelne Kneipenschichten übernommen, aber niemand trug wirklich die Verantwortung. Nach und nach hatte das Engagement nachgelassen.

„Wir haben daraus gelernt“, so eine Mitarbeiterin des Cafékollektivs. Man habe eine kleinere Gruppe gegründet, die mit der Kneipe ihren Lebensunterhalt verdienen wollte. Das habe Motivation und Verantwortlichkeit gestärkt. Zudem habe die Gruppe ein knallhart durchkalkuliertes Finanzkonzept vorgelegt. Außerdem sei geplant gewesen, durch viele politische Veranstaltungen mehr Publikum in die Kneipe zu ziehen. Und man habe eine engere Zusammenarbeit mit dem Buchladen „Schwarze Risse“ angestrebt, der seit 15 Jahren im Mehringhof beheimatet ist. Allerdings seien die Vorbehalte bei einzelnen Mehringhof-Projekten offenbar zu groß gewesen.

Im Mehringhof-Büro gab man sich gestern diplomatisch. „Es war eine sehr schwierige Entscheidung, weil beide Projekt überzeugende Konzepte vorgelegt hatten“, sagte eine Mitarbeiterin. Auch innerhalb der Projekte sei die Entscheidung ziemlich knapp ausgefallen. Jetzt müsse man allerdings sehen, wie die Konzepte konkret umgesetzt würden. Die jetzige Entscheidung könne eine Öffnung und Bereicherung für den Mehringhof bedeuten.

RICHARD ROTHER

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