strafplanet erde: maren gilzers metzenbaumschere:
von DIETRICH ZUR NEDDEN
Der Mann in mir benahm sich nicht zum ersten Mal, als sei er Pawlows Versuchsanordnung entsprungen: „Internationaler Frauentag – dazu muss man doch was schreiben!“ Eben nicht, gab ich zur Antwort, und außerdem ist der erst morgen. Aber zum Muttertag, von dem ich nicht weiß, wann er stattzufinden hat, könnte ich eine kleine Geschichte erzählen. Als ich klein war, wurden bei uns zum Muttertag keine besonderen Vorkehrungen getroffen. Mein Vater pflegte zu dem Ereignis nur zu sagen, jeder Tag sei in unserer Familie ein Muttertag. Mit dieser Bemerkung schien er, was ich aber erst später herausfand, wie alle Väter teilnehmen zu wollen am Wettbewerb um den Titel des originellsten Menschen der Welt.
Aber ein Drittes bestärkte mich in der Auffassung, nichts weiter zum Internationalen Frauentag zu sagen. Die Entdeckung, dass Maren Gilzer, einst stumme Buchstabenumdreherin beim „Glücksrad“, dem TV-Ratespiel für Beinahe-Analphabeten, jetzt in der Ost-Arzt-Serie „In bester Freundschaft“, dem gemütlichen deutschen Pendant zum „Emergency Room“, eine Krankenschwester geben darf. Maren Gilzer fügt sich prima, ja nahtlos ins Ensemble ein, und aus irgendeinem Grunde freute mich das. Frauen kommen überallhin, zitierte ich lose einen Frauenbucherfolgstitel der jüngeren Literaturgeschichte, und damit sollte das Thema ausreichend gewürdigt sein.
War es aber nicht. Denn Arztserien spielen in meinem Alltag eine nicht eben geringe Rolle. Das liegt daran, dass meine Lebensgefährtin eine leidenschaftliche Arztserien-Kuckerin ist. Ich dagegen bringe das Personal von „Chicago Hope“ und „Emergency Room“ noch nach so vielen Jahren durcheinander. In welcher von beiden spielte beispielsweise George Clooney mit? Ich kann es mir nicht merken. Dass es sich bei der Buchstabenumdreherin im „Glücksrad“ aber um eine Frau namens Maren Gilzer handelte, habe ich mir gemerkt. Seltsam, wie manchmal das Gedächtnis funktioniert. Aber das schönste Wort aus einem Operationssaal habe ich in einem Steve-Martin-Film gehört, dessen Titel mir entfallen ist. Das Wort lautete „Metzenbaumschere“, die der Chirurg, den Steve Martin spielte, von der assistierenden Krankenschwester verlangte. Metzenbaumschere ist für mich seitdem synonym mit dem Wort Operation. Und wenn man Anekdoten hört, die Menschen erzählen, die in einem Operationssaal arbeiten, wie es dort so zugeht, wenn der Operateur angetrunken ist oder mit welcher Musik er sich zudröhnen lässt, um eine ruhige Hand zu haben, dann wird die Metzenbaumschere noch sinnhafter, geradezu sinnfälliger.
Maren Gilzer aber als auf den ersten Blick unbedarfte Krankenschwester mit dem auf den zweiten Blick goldenen Herzen auf dem richtigen Fleck musste in der fraglichen Folge eine paranoide Schizophrene betreuen. Sie machte das instinktiv so klasse, dass sogar der Chefarzt am Ende ihr nicht nur die Hand reichte, sondern auch versprach, ihr eine Fortbildung zu ermöglichen. Angesichts dieser Karriereversprechen wird sie ihm irgendwann die Metzenbaumschere reichen dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen